Eigentlich hatte ich ja eine große Sommertour geplant. Aber wie es immer so ist: man macht Pläne und dann kommt es doch anders. So musste ich den Start Woche um Woche verschieben, nur um das Vorhaben Westweg per Fatbike schließlich ganz aufzugeben.
Als ich dann wider Erwarten doch etwas Zeit hatte, war die Frage: Wohin?
Ich weiß nicht ob es am Alter liegt, oder an einer grundsätzlichen Veränderung meiner Haltung, aber mittlerweile habe ich eine Vorliebe entwickelt zu entdecken was mehr oder weniger direkt vor der Haustüre liegt.
Das hat gleich mehrere Vorteile: man kann spontan sein und ist flexibel – auch was das Wetter angeht. Es ist vergleichsweise günstig und man erlebt die Welt die man vermeintlich in- und auswendig kennt oft völlig neu.
Durch Entwicklungen in der Ultralight-Outdoorszene und dem sich dadurch abzeichnenden Trend hin zum Minimalismus wurde es möglich Gepäckmäßig sehr reduzierte Trips zu unternehmen.
Selbstverständlich wird hier oft weniger für deutlich mehr verkauft, aber wer die Sinnhaftigkeit des Verzichts auf Ausrüstungsgegenstände und Komfort im Tausch gegen Geschwindigkeit und Agilität bezweifelt, dem sei gesagt, dass es eine Offenbarung ist ein leicht bepacktes Rad über anspruchsvolle Trails zu schieben oder mal eben über einen Zaun heben zu können!
Der Westweg per Fatbike
… spukte mir schon länger im Kopf rum. Der Westweg ist ein szenischer Fernwanderweg der über die Höhen des Schwarzwalds von Pforzheim nach Basel führt. Es ist explizit ein FernWANDERweg, d.h. größere Teile des Weges sind für Otto-Normal Mountainbiker nicht fahrbar oder zumindest nicht wirklich spaßig (man sollte es mehr als Projekt mit Herausforderungen sehen).
Aber: alles Einstellungssache, mit der richtigen Einstellung mindern Schiebe- und Tragepassagen das Gesamterlebnis überhaupt nicht.
Zusätzlich gibt es in Baden-Württemberg die 1,5 m Regel, d.h. Wege die schmaler als 1,5 m sind dürfen offiziell nicht mit dem Rad befahren werden, und letztens, macht man sich natürlich durch allzu rücksichtsloses Verhalten bei Wanderern auch keine Freunde, d.h schadet nur denen die nach einem kommen. Also: immer recht freundlich und Rücksicht nehmen!
Planung und Ausrüstung
Es gibt eine ganze Menge Seiten im Internet die sich mit dem Westweg beschäftigen, auch per Mountainbike, allerdings ist noch niemand den Westweg per Fatbike gefahren – sogar inklusive Tracks für GPS-Geräte. Nun, so ein Gerät hab ich nicht und es widerstrebt mir auch auf einem Navi Waypoints abzufahren.
Nicht dass es nicht praktisch wäre immer zu wissen wo genau man sich gerade befindet, sich nicht zu verfahren und keinen interessanten Ort („POI – Point of Interest“) zu verpassen – aber drauf geschissen: verfahren gehört dazu und bei Snackpausen die Karte rauszuholen um seine ungefähre Position nachzuvollziehen ist unendlich spaßiger, vom langfristigen Stromproblem mal ganz abgesehen.
Schlafen
Übernachten wollte in Schutzhütten, die es in unregelmäßigen Abständen in unterschiedlichen Qualitäten gibt, wie jeder der schon mal in irgendeinem deutschen Wald wandern war weiß.
Da ich aber nicht immer mit einer Schutzhütte rechnen, beziehungsweise diese verschlossen oder aus einem anderen Grund eventuell nicht nutzbar sein konnte, wollte ich unabhängig sein und hatte zu diesem Zweck einen ultraleichten Biwaksack (Amazon) und mein Exped-Zeltfootprint dabei, der als notdürftiges Tarp dienen konnte.
Da der Westweg sehr gut durch eine rote Raute markiert sein sollte ging ich davon aus, dass ich kein weiteres Kartenmaterial als eine Übersichtskarte, ein paar Angaben zum Streckenprofil und wichtigen Wegpunkten brauchen würde.
Ansonsten geht es natürlich darum durch gute Auswahl und geschickte Kombination von Ausrüstungsgegenständen, das Gewicht und die Gepäckmenge auf ein verträgliches Maß zu reduzieren. Da ich keine Rahmentasche habe und mir aus verschiedenen Gründen wahrscheinlich auch keine zulegen werde (Kosten, meist nur für einen speziellen Rahmen verwendbar, Rahmendreieck ist relativ klein und selber machen ist momentan keine Option und auch nicht deutlich billiger), wurde das Gepäck in meinen altgedienten Deuter Trans Alpine 30, einer Lenkerrolle an einem Kanga Harness und einer Koala Satteltasche, beide von Alpkit, verstaut.
Gewichtsverteilung
Insgesamt war das meiste Gewicht im Rucksack, der stellenweise relativ schwer war, da ich schon mal 30-40 km an keiner Möglichkeit vorbei kam Proviant und Wasser aufzustocken und auf funktionierende Brunnen konnte ich mich nicht verlassen.
Ich musste also sicher stellen immer genug Kalorien und 3 Liter Flüssigkeit dabei zu haben, schließlich musste es ja im Zweifel auch für die Übernachtung reichen. Und: Ultralight hin oder her, 1 Liter Wasser wiegt eben auch im Jahr 2015 immer noch ein Kilo.
Eine der beiden 1,5 Liter Flaschen habe ich ihm Rahmendreieck spazieren gefahren (1,5L PET-Flaschen passen hervorragend in normale Flaschenhalter aus Aludraht), die andere am Rucksack.
Auch am Rahmen befestigt war der Ersatzschlauch, in einer Tüte um’s Oberrohr gewickelt und mit Klettband gesichert.
Erfahrungen
Meine Erfahrungen auf dem Westweg per Fatbike waren insgesamt durchweg positiv. Es ist, wie gesagt, eine kleine Offenbarung mit extrem wenig Ballast unterwegs zu sein.
Wichtig ist es die Ausrüstung so zu wählen, dass man nichts Überflüssiges oder Dinge doppelt mitnimmt und sich die Ausrüstungsgegenstände, insbesondere Kleidung und das Schlafsystem, ergänzen (mehr dazu wie etwa eine Ausrüstungsliste später in einem separaten Post).
Für den nächsten Teil habe ich mir dann allerdings doch eine gute Karte gekauft, da ich vor allem zwei Dinge feststellen musste:
- Der Westweg ist stellenweise nicht nur ein Weg, sondern ein Wegenetz mit verschiedenen Optionen. Das kann lokal sehr verwirrend sein, wenn die Übersicht fehlt.
- Meine alte ADFC-Radkarte für Baden-Württemberg ist eben nur für Radweg-Fernradler und nicht für Mountainbiker, d.h. es fehlen viele wichtige Informationen, wie beispielsweise kleine Straßen und Pfade, Schutzhütten, POIs, usw.
Gepäckaufteilung: die Aufteilung Kleidung in der Satteltasche und Schlafsack im Rucksack stellte sich als suboptimal heraus, da ich sehr oft Kleidung an- und ausziehen musste, den Schlafsack jedoch nur 1x am Tag auspacke. Darum wird jetzt getauscht: Schlafsack und warme Jacke kommen in die Satteltasche, Kleidung komplett bis auf Regenkleidung in den Rucksack.
Westweg-Resourcen
- Schutzhütten am Westweg
- Westweg: Crossing the Black Forest on a Mountainbike (Youtube)
- Schwarzwaldverein – der Westweg
- MTB-News – Westweg: empfohlene Routenabweichungen
- Biketour 4 You – Der Westweg-298Km-8340Hm
- Schwarzwald Westweg komplett von Karlsruhe via Pforzheim
Impressionen
Noch ein paar Bilder von unterwegs…
Schöner Bericht. Mich würde interessieren, was dein Bike und deine Ausrüstung (ohne Wasser) gewogen haben.
Und hattest du keine Probleme mit dem Wetter? Weil es ja recht bewölkt aussieht, aber deine Isomatte immer draußen ist. Oder war da einfach der Biwak dazwischen?
Was die Lenkerrolle angeht, so reichen bei mir immer zwei kleine Spanngurte, sie zu befestigen. Ich frage mich, warum man solche „Halter“ am Lenker überhaupt braucht, denn bei mir sitzt auch am MTB alles fest. Hab aber noch nie einen probiert. Hast du es mal ohne das Alpkit-Teil probiert?
Gruß
Manu
Ja stimmt, es hat auch öfter mal geregnet. Dann hab ich mich eben wenn möglich untergestellt.
In starkem Regen zu fahren kannst du meines Erachtens vergessen, außer du hast übermäßig Bock auf Fahrradpflege. Bei leichten, gelegentlichen Nieselschauern werde aber zumindest ich durch’s eigene Schwitzen nässer.
Die Isomatte ist kein Problem. Die wird ja maximal auf der Fläche eines Umfangs naß. Im schlimmsten Fall wischt man sie kurz mit dem Ärmel trocken, oder dreht die nasse Seite nach unten.
Bzgl. Gear: Bike ca. 15 Kg; Rucksack, Rolle, Saddlebag mit Inhalt ca. 11 Kg, inklusive 0,5l Spiritus und ein (relativ) schweres Spiralschloss.
Kommt natürlich immer darauf an wohin und zu welcher Jahreszeit, Versorgungslage, persönliche Ansprüche usw. (ich schreib bei Gelegenheit demnächst noch nen Post zur Ausrüstung).
Also ich sag mal, im Sommer wenn’s warm ist und man die Tour gut geplant hat kann man schon mit deutlich unter 10 Kg wegkommen.
Bzgl. dem Alpkit-Harness:
ja, an dem Lenker geht es bestimmt auch ohne, weil der breit genug ist. Ich hatte mir das Harness aber ursprünglich für eine andere Tour mit einem anderen Rad gekauft das einen schmaleren Lenker hatte, da hab ich das nie so befestigt bekommen, so dass es einigermaßen sicher hielt und die Bremshebel frei beweglich waren. Da ich nun hatte hab ich’s verwendet.