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Fatbike schlauchlos Umrüstung – lohnt sich der Aufwand?

Fatbikes – hier im Süden Deutschlands sind sie immer noch nicht so recht angekommen und ich hoffe das bleibt so.

Es kann zwar manchmal schon lästig sein immer und überall angequatscht zu werden, was denn das für ein Rad sei und was man damit machen könne, aber das Feedback ist trotzdem durch die Bank positiv.

Es ist sogar eher so, dass Leute, von denen man es so gar nicht erwarten würde, Rentner beispielsweise, mehr Interesse zeigen als die radsport-affinen Ingenieure hier in der Gegend.

Ich jedenfalls kann, seit ich das Fatty habe, an einer Hand die Tage abzählen wann ich mal mit dem „normalen“ Rad unterwegs war (die Stadtschlampe nicht mitgerechnet…).

Allerdings hat so ein Fatbike auch Nachteile – oder nennen wir es besser „individuelle Eigenschaften“.

Natürlich, in erster Linie sind es die dicken Reifen. Gut um dort hinzugehen wo kein anderes Bike hin kann, fordert es aber auch seinen Tribut wenn’s bergauf geht.

Trotz dass sie mit Luft gefüllt sind, sind sie natürlich schwerer, da einfach mehr Material an Schlauch, Reifen, Felge und Felgenband als bei einem normalen 26″ Laufrad vorhanden ist. Das erhöht die rotierende Masse, insbesondere an der ungünstigsten Stelle: außen am Rad.

Ein weiterer Nachteil eines so großen Volumens sind Plattfüße. Einerseits die Gefahr eines unmittelbaren Druckverlusts – man stelle sich nur mal vor: mit 40 Sachen den Trail runter, Schlauch im Vorderrad explodiert und das Volumen ist in einem Sekundenbruchteil weg – keine schön Vorstellung!

Mir ist was Ähnliches schon mal passiert, allerdings „nur“ am Hinterrad und „nur“ beim Schieben durch die Pampa. Auf einmal ein lauter Knall, dass ich dachte jemand hätte auf mich geschossen! Nach einer kurzen Schrecksekunde stellte ich glücklicherweise fest, dass mich niemand töten wollte sondern mein Hinterrad platt war. Wie ich ziemlich schnell heraus fand hatte das Felgenband das die Löcher in der Felge überdeckt ein Loch, so dass der Schlauch an einer Kante gerieben hat.

Bei einem normalen Rad hätte ich jetzt den kaputten gegen einen Ersatzschlauch gewechselt, aufgepumpt und wäre weitergefahren.

Nicht ganz so hier.

Man braucht schon etwas Gewalt um die neuen Tubeless-Ready Reifen von der Felge zu bekommen. Außerdem ausgerechnet heute keinen Ersatzschlauch dabei und dann muss da ja auch wieder Luft rein… so ist das eben mit Murphys Law.

Lange Rede, kurzer Sinn: ich konnte das relativ große Loch gerade so mit einem Flicken verschließen, ebenso das Loch im Felgenband – ein achtslos weggeworfener Schokoriegel-„Papier“ leistete gute Dienste.

Also jede Menge Gründe um über eine Fatbike schlauchlos Umrüstung nachzudenken.

Wie funktioniert so ein Fatbike schlauchlos Setup überhaupt?

Kurz gesagt, das Innere des Reifens wird abgedichtet, indem man eine spezielle Dichtflüssigkeit („Dichtmilch“) einfüllt und den Reifen dann mittels Kompressor auf zwei Bar „Schock-aufbläst“.

Wenn das gelungen ist, schüttelt und bewegt man das Rad, so dass sich die Dichtmilch gleichmäßig verteilt, alle Mikro-Risse und -löcher und insbesondere den Kontaktbereich Reifen/Felge abdichtet.

Die Milch härtet dabei nicht sofort aus, sodass kleinere Durchstiche durch die Milch abgedichtet werden. Diese Eigenschaft hält mehrere Wochen vor, danach muss wieder etwas Milch nachgefüllt werden um diesen Effekt zu erzielen.

Dabei lagert sich die Milch zwar zu einem gewissen Grad ab jedoch verflüchtigt sich wohl der größte Teil durch die Poren des Reifens. Offensichtlich ist es aber wohl nicht so, dass sich innen alles akkumuliert und der Reifen immer schwerer wird. Hier ein interessiert Artikel dazu.

Kann man das mit allen Reifen und Felgen machen?

Prinzipiell ja, es gibt aber zwei grundsätzlich verschiedene Ausgangssituationen, für die jeweils eine der beiden folgenden Methoden besser geeignet ist:

  1. 1. Ghetto-Tubeless
  2. 2. „Echtes“ Tubeless

Ghetto-Tubeless

Ghetto-Tubeless ist für Reifen/Felgen-Kombinationen wo mindestens eine der beiden Teile echtes Tubeless nicht unterstützt. Das ist vor allem bei der ersten Generation Fatbikes der Fall. Hier verfügen Reifen und/oder Felgen nicht über ein Nut- und Feder Pass-System.

Beim Ghetto-Tubeless System schneidet man einen 24″ Reifen auf und bringt ihn über das Felgenband überlappend auf die Felge auf. Zwischen dem aufgeschnitten Schlauch und das Felgenband bringt man noch einen dünnen Streifen aus geschlossenzelligem Schaumstoff auf der etwas schmaler ist als der Innendurchmesser der Felge minus der Reifenwandstärke. Dieser Streifen hilft zum einen den reifen besser abzudichten und zum anderen in besser auf der Felge zu zentrieren.

Nachdem der Reifen installiert, mit Milch befüllt, aufgeblasen und für dicht befunden wurde kann man das überlappende Gummi des Aufgeschnittenen Schlauchs etwas zurückschneiden.

Anleitungen

Eine detailierte Anleitung wie man auf Ghetto-Tubeless umrüstet gibt es beispielsweise hier.

Und auch Videos gibt’s zur Genüge wie beispielsweise das hier:

„Real“ Tubeless

Bei der echten Tubeless Methode beziehe ich mich auf Reifen-Felgenkombinationen die für einen Tubeless Setup vorgesehen sind. Das hat in mehrfacher Hinsicht Vorteile:

  1. Leichter weil kein Schlauch benötigt wird
  2. Besserer Sitz des Reifens auf der Felge
  3. Dadurch potentiell besser geeignet extrem niedrige Drücke zu fahren (just guessing…)
  4. Geringere rotierende Masse am ungünstigsten Punkt (außen)

Video-Anleitung

Hier eine Anleitung mit Sun-Ringlé Mulefüt Felgen, die bei dem 2015er Kona Wo montiert sind, aber auch hier gibt es genug Anleitungen wen man nach „Fatbike Tubeless Conversion sucht“:

Dass ich schon die zweite Methode umsetzen kann vereinfacht die Sache etwas. Leider kann ich im Moment noch nicht aus eigenen Erfahrungen sprechen, da ich zwar alles an Material und Werkzeug was ich für die Umrüstung hier habe, ich es aber noch nicht umsetzen will, da ich noch eine kleine Tour geplant habe und die würde ich ungern mit ungetestetem Material machen. Aber danach!

Die andere Sache ist, dass ich keinen Kompressor habe und deshalb für das initiale Aufblasen an eine Tanke muss – keine Chance mit Handpumpe, auch nicht mit einer Standpumpe!

Mit Ghetto Tubeless könnte es mit viel Glück vielleicht gerade so funktionieren, da der Streifen geschlossenzelligen Schaumstoffs den man unter den aufgeschnitten Schlauch klebt dafür sorgt, dass der Spalt zwischen Reifen und Felge extrem klein ist.

Darum hat sich meine bisherige Bastelei darauf beschränkt die original Gummi-Felgenbänder durch robustere, leichtere Kunststoff-Felgenbänder von Surly zu ersetzen und diese mit einem speziellen Klebeband an der Felge (hoffentlich) luftdicht festzukleben. Außerdem habe ich die Original VEETIRE-Schläuche durch Schwalbe 13F Schläuche ersetzt.

Alles in allem hat das schon eine Gewichtsersparnis von ca. 170g rotierender Masse pro Rad gebracht, oder auf’s Gesamtgewicht gerechnet, 2,5 Tafeln Schokolade die ich mehr mitnehmen kann ohne Gewicht zu erhöhen.

Teile- und Werkzeugliste

Fazit

Zu fragen, ob sich der Aufwand denn lohnt ein Fatbike schlauchlos umzurüsten ist vielleicht etwas verfrüht.

Allerdings glaub ich schon, dass es sich lohnt, vor allem für die Feierabendrunde und für kürzere Touren – wo man dann den schweren Ersatzschlauch daheim lassen kann.

Neben dem Gewichtsvorteil und der Auswirkung auf das Fahrverhalten wird sich ein schlauchlos Setup positiv auf die Pannenstatistik auswirken zumal bei Fatbike-Pannen der Aufwand ja ungleich größer ist.

Kleine Durchstiche dichtet die Dichtflüssigkeit, für größere gibt es Tubeless Repairkits mit denen man zusammen mit Klebstoff dünne Gummistreifen von außen in den Reifen einbringt.

Die größte Angst hab ich wenn überhaupt vorm Burping, also, dass der Reifen schlagartig platt wird, beispielsweise durch einen Riß. Und wenn ich dann repariert habe, sind die Chancen den Reifen im Feld ohne Kompressor und ohne Schlauch wieder voll zu bekommen gleich null. Auf langen Touren einen Schlauch dabei zu haben, oder besser zwei, ist daher Pflicht.

Insgesamt ist das Feedback von Fatbikern die schon Tubeless fahren aber sehr gut.

Ob die Tubeless-Technologie für ausgedehnte, mehrwöchige oder mehrmonatige Touren, und vor allem Touren abseits der Zivilisation geeignet ist steht auf einem anderen Blatt. Auch kostentechnisch läppert es sich, wenn man alle paar Wochen nachfüllen muss. Und wird das Rad nicht bewegt sollte man zumindest alle paar Tage mal die Räder drehen…

Man sieht also jedes System hat seine spezifischen Vor und Nachteile, oder: wo Licht ist ist auch Schatten.

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