Warum-wir-immer-dicker-werden-und-was-wir-dagegen-tun-koennen

Warum wir immer dicker werden und was wir dagegen tun können

Die Wissenschaft weiß es. Sie wusste es ja schon immer. Und selbst wenn nicht – das Wort der Halbgötter in Weiß anzweifeln? Für die meisten UNVORSTELLBAR!

Jedenfalls ist der Schuldige warum wir immer dicker werden für die Wissenschaft schnell gefunden: Du selbst mit deinem Mangel an Disziplin.

Du isst zu viel und bewegst dich zu wenig.

Gelegentlich kommen noch altersbedingte Prozesse hinzu, was aber nichts daran ändert, dass du an deinem Übergewicht selbst schuld bist: denn du bist SCHWACH!

Beispiele? Hier und hier.

Auf jede komplizierte Frage gibt es eine ganz einfache, klare Antwort, und die ist falsch.

– Henry Louis Mencken

Aber der Reihe nach.

Meine Generation ist mit der Ernährungspyramide der US-amerikanischen Ernährungsbehörde USDA aufgewachsen. Manche erinnern sich bestimmt noch an sie, denn sie war auf jeder Kelloggs Corn Flakes Schachtel zu finden. Die, wie man hier gut sehen kann von 1966 – 1992 und letztlich bis 2011 so angepriesen wurde. Ab 2011 wurde sie dann durch das verspieltere ChooseMyPlate-System ersetzt.

Jedenfalls war sie ein Exportschlager und erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit, wenn auch in leicht abgewandelter Form. Was aber das grundsätzliche Missverhältnis der Nahrungsmittel nur unwesentlich korrigiert, siehe beispielsweise hier, hier, hier und hier.

In dieser Pyramide bilden, laut damaliger Lehrmeinung, Kohlenhydrate die Basis einer gesunden, ausgewogenen Ernährung. Dabei wussten es früher so ziemlich alle: Oma, der Volksmund und auch die Ärzteschaft. Kohlenhydrate, allen voran Zucker, Weißmehl, Bier und andere kohlenhydrat-haltige Getränke, aber auch Früchte sind der sichere Weg zu Übergewicht, Trägheit und gesundheitliche Problemen.

Was man früher aber noch nicht so wusste war, dass Erkrankungen wie Gicht, Diabetes und sogar Krebs eine direkte Folge einer kohlenhydrat-reichen Ernährung über einen längeren bis sehr langen Zeitraum sind.

Wir werden nicht fett weil wir zu viel essen, wir essen zu viel weil wir fett werden.

– Gary Taubes

Das muss man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen: wir essen zu viel weil wir fett werden? Wir werden also nicht fett vom Essen?

Von was kommt es denn dann, dass wir immer dicker werden?

Kurz gesagt, wenn wir das Falsche essen haben wir ein Nährstoffdefizit. Und um das auszugleichen essen wir mehr (vom Falschen). Das ist ein Teufelskreis, denn in der Regel schmeckt uns das am Besten was am Schlechtesten für uns ist: Kohlenhydrate, bzw. schlimmer noch, die Kombination aus Kohlenhydraten und Fett, wie beispielsweise Pommes Frites. Oder Schokolade.

Warum wir das tun hat evolutionäre Gründe.

Vor 10 – 13.000 Jahren – man ist sich da noch nicht so ganz einig, hat der Mensch die Zivilisation erfunden und wurde sesshaft. Die zivilisatorischen Leistungen waren dabei im Wesentlichen kommunikativer Art, also Schrift und Kunst, die Erfindung der Landwirtschaft durch Ackerbau und das Domestizieren von Tieren sowie Vorratshaltung.

Hierdurch wurde eine nomadische Jäger- und Sammler Lebensweise überflüssig. Viele sagen sogar das sei der Anfang eines langen degenerativen Prozesses gewesen der bis heute andauert. Und das ist gut möglich. Ungefähr jeder starrt heute ständig in sein Smartphone ist aber annähernd hilflos ohne. Wie auch immer. Gesundheitlich ging es auf jeden Fall bergab. Aber das ist ein anderes Thema.

Bevor der Mensch sesshaft wurde ernährte er sich überwiegend von Fett: fettes Fleisch und fette Innereien. Als Beilage gab’s ein paar Wurzeln und saure Beeren, die bei Weitem nicht soviel Fruchtzucker enthielten wie dies Früchte heutzutage tun.

Insgesamt handelte es sich also um eine sehr kohlenhydratarme Ernährung.

Andererseits war Süße, wie sie natürlich in Beeren und Honig vorkommt, ein ziemlich sicherer Garant für schnelle, nicht-toxische und relativ ungefährlich zu bekommende Energie. Es war aber eher die Ausnahme, darum konnte der vor-zivilisatorische Mensch guten Gewissens zugreifen wenn sich ihm denn mal die Gelegenheit bot.

Ernährt sich der Mensch allerdings dauerhaft schlecht im Sinne einer Ernährungsweise basierend auf Nahrungsmitteln hoher Energiedichte ohne oder mit deutlich zu niedrigem Mikronährstoffanteil, so kommt es zu hormonellen Ungleichgewichten. Die Energie aus der kohlenhydratreichen Nahrung wird, statt sie dem Körper direkt und vollständig zuzuführen, zu einem größeren Teil in Körperfett umgewandelt während der Körper mehr Nahrung braucht um seine Bedürfnisse zu befriedigen.

Das muss man verstehen: IMMER wenn eine kohlenhydratreiche Mahlzeit konsumiert wird, wird ein bestimmter Teil der Nahrungsenergie aus Kohlenhydraten in Körperfett umgewandelt, selbst wenn man gerade körperlich aktiv ist!

Qualität: Nahrung ist eben nicht gleich Nahrung, wobei es Menschen gibt die Kohlenhydrate wesentlich besser tolerieren also andere, in der Regel sind das die Somatotypen Ektomorph und Mesomorph im Gegensatz zum Endomorph der Essen sprichwörtlich nur anschauen muss um zu zu nehmen (siehe hier). Was nicht heißt, dass die anderen beiden immun dagegen sind. Wenn sie sich lang genug ungünstig ernähren werden auch sie die Folgen übermäßigen Kohlenhydratkonsums früher oder später zu spüren bekommen.

Apropos Essen anschauen: das ist nicht nur so daher gesagt. Es ist tatsächlich so, dass wir schon beim Gedanken an Essen, also der Vorfreude darauf, bereits Insulin ausschütten. es ist quasi wie beim Pavlovschen Hund: haben wir Hunger und sehen etwas zu essen, oder stellen es uns vor, dann läuft uns der Speichel im Miund zusammen, wie dem Pavlovschen Hund der die Klingel hört.

Aber warum dann Kohlenhydrate wenn sie so schlecht sind?

Warum staatliche Organe Empfehlungen mit solch schwerwiegenden Konsequenzen für das Individuum als auch die Gesellschaft als Ganzes heraus geben, die darüber hinaus auch noch auf unzureichend bestätigten Thesen beruhen, darüber kann man nur spekulieren. Vorsichtig betrachtet dürfte es sich bei den Ursachen um eine Mischung aus Wirtschaftslobbyismus, Wissenschaftler mit Profilneurosen in Elfenbeintürmen und Versagen der staatlichen Bürokratie handeln.

Die offizielle Version ist jedenfalls die: man war besorgt um die Zunahme chronischer Herz-Kreislauferkrankungen durch zu hohen Fettkonsum – eine These die ohnehin nicht ausreichend belegt ist, genauso wenig wie die These, dass ein hoher Proteinkonsum Nieren übermäßig belastet und zu Nierenversagen führen kann. Oder dass purinreiche Nahrungsmittel die Verursacher von Gicht und anderen entzündlichen Erkrankungen der Gelenke und Weichteile sind.

Wie sollte man sich denn nun ernähren?

Gary Taubes und viele progressive Wissenschaftlicher sehen das relativ klar: LCHF = Low Carb, High Fat, d.h. auf schlechte, leere Kohlenhydrate, also alles was Zucker und Weißmehl enthält sollte verzichtet werden.

Das bedeutet: kein Brot, keine Nudeln, keine Pannade, keine Süßigkeiten, kein Bier, keine süßen oder anderweitig kohlenhydrathaltigen Getränke, kein Obst, beziehungsweise, wenn dann nur SEHR reduziert.

Dafür aber keine Restriktion bei gesunden fetten inklusive gesättigten Fetten wie fettes Fleisch und Butter. Ausnahmen: Fette aus dem Labor wie Margarine und vor allem Transfette.

Was ist mit Gemüse?

Theoretisch ist es möglich auch ohne Gemüse zu leben, denn viele Naturvölker wie beispielsweise die Inuit oder die Rentierhirten in Sibirien ernähren sich traditionell fast ausschließlich von Fleisch und tierischen Produkten ohne unter Mangelerscheinungen zu leiden.

Grundsätzlich ist es auch möglich ganz ohne Kohlenhydrate zu leben, sie sind nicht lebensnotwendig, denn der gesunde Körper kann aus Fett und Protein seinen eigenen Treibstoff herstellen, sogenannte Ketone. Mit denen er sogar besser funktioniert als mit dem „billigen Sprit“ der Kohlenhydrate wenn der Stoffwechsel umgestellt ist (was mehrere Tage bis wenige Wochen dauern kann).

Beispielsweise wurde bereits Anfang des 20. Jahrhunderts an Forschern die durch eine Notsituation gezwungen waren im arktischen Winter zu überwintern und sich daher ausschließlich von Fleisch ernähren mussten festgestellt, dass diese keinerlei gesundheitliche Konsequenzen davon trugen. Im Gegenteil, sie erfreuten sich bester Gesundheit und Vitalität.

Das macht auch Sinn wenn man den Blick zurück in die vor-zivilisatorische Menschheitsgeschichte wagt: Fleisch und tierisches Fett waren die Nahrungsquelle Nummer eins und das hat über hunderttausende von Jahren gut funktioniert.

Ernährungs- und damit degenerative Probleme kamen erst auf mit der Verbreitung der Landwirtschaft und insbesondere mit der Industrialisierung, die die einfache und billige Herstellung von energie-intensiver aber ultimativ nährstoffarmer Nahrung in großen Mengen ermöglichte.

Eine andere Frage ist allerdings, ob und in wie fern eine kohlenhydratarme Ernährungsweise in unserer heutigen Gesellschaft möglich ist.

Was ist mit Hülsenfrüchten?

Hülsenfrüchte sind eine spezielle Form von stärkehaltigen Kohlenhydraten („Slow Carb“). Gary Taubes, genauso wie viele andere Befürworter einer Ernährungsweise, die den Löwenanteil an Energie aus Fett statt Kohlenhydraten bezieht, rät dazu den Anteil an Hülsenfrüchten auch eher gering zu halten.

Ich persönlich würde Hülsenfrüchten allerdings einen deutlich größeren Stellenwert im persönlichen Ernährungsplan einräumen und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens: Kosten. Hülsenfrüchte sind eine günstige und hochwertige Eiweißquelle, außer dem sättigen sie und enthalten Ballaststoffe.

Zweitens: gesundheitliche und ethische Bedenken übermäßigen Fleischkonsums aus industrieller Massentierhaltung. Zum einen wird argumentiert, dass Fleisch von Weidetieren („grass-fed beef“) Fleisch von Tieren die (zumindest teilweise) Kraftfutter erhalten vorzuziehen sei, denn, so die Argumentation, die unnatürliche Zufütterung von Getreide wirke sich negativ auf die Fleischqualität aus, was wiederum negative Auswirkungen auf den Konsumenten am Ende der Nahrungskette (ja genau, Du) haben könnte.

Das ist allerdings nicht bewiesen. Was stimmt ist, dass bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Kraftfutter verfüttert wurde, ohne dass es sich merklich negativ auf den Endkonsumenten ausgewirkt hätte.

Was allerdings nicht ganz ohne ist, ist die eventuelle Belastung durch Medikamentenrückstände, die erforderlich sind, da Massentierhaltung, vorsichtig gesagt, der Gesundheit der Tiere nicht zuträglich ist.

Darum sollte man Bio kaufen

wirst du nun sagen.

Jein. Das Problem mit Bio ist, dass Bio schon lange kein Garant mehr dafür ist, dass es sich um bessere Qualität handelt. Die ursprüngliche Idee ist, nicht zuletzt durch Adaption des Biotrends der großen Discounter und dem blinden Vertrauen in Bio-Siegel, sehr stark verwässert worden.

Wenn man darum sicherstellen will, die qualitativ und ethisch beste Wahl zu treffen, dann bedeutet dies in meinen Augen: den Erzeuger kennen und ihm vertrauen. Alles andere ist Selbstbetrug.

Aber das ist nur meine Meinung die mit Sicherheit keinen Anspruch auf Exklusivität hat.

In a Nutshell

Unser Problem heutzutage ist, dass wir ein Nährstoffdefizit haben, dadurch dass wir minderwertige Nahrung konsumieren. Dies wiederum bewirkt, dass wir mehr Nahrung zu uns nehmen müssen um dieses Nährstoffdefizit auszugleichen. Dadurch wiederum nehmen wir noch mehr leere Kalorien in Form von Kohlenhydraten auf, was sich, vorsichtig gesagt, negativ auf den Hormonhaushalt auswirkt. Beim einen mehr, der nimmt dann zu, beim anderen weniger, der nimmt nicht oder weniger zu. Im Hinblick auf Langzeitfolgen ist es aber grundsätzlich auch bei denen nicht wünschenswert, die es scheinbar tolerieren können.

Der Weg zu mehr Gesundheit, Vitalität und vor allem nicht immer dicker zu werden ist so gesehen verhältnismäßig einfach: starke Einschränkung von Kohlenhydraten, vor allem den schlechten, am besten kompletter Verzicht.

Da die Verlockungen der Zivilisation in Form von Pizza, Bier, Eiskrem, Schokolade usw. aber bestehen und einen an jeder Ecke verführen schwach zu werden, halte ich das konzept des „Cheat-Days“ wie ihn beispielswesie Tom Ferriss im Rahmen seiner Slow-Carb Diät vertritt als das Beste aus beiden Welten:

6 Tage die Woche ernährt man sich konsequent (S)Low-Carb, und an einem Tag der Woche hat man frei und kann alles und soviel davon essen und trinken wie man will.

Quellen:
Gary Taubes – WHY WE GET FAT (Amazon)
Timothy Ferriss – Der 4-Stunden-Körper (Amazon)

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert