Viele von uns die etwas bewusster durch die Welt gehen, kennen das Dilemma: unwürdige Massentierhaltung und unnötige Tiertransporte erzeugen unsägliches Tierleid. Das ist abstoßend und daran möchte man nicht schuld sein. Hinzu kommt die fragwürdige Qualität der Produkte – das Fleisch selbst, als auch die Weiterverarbeitungsprodukte. Auf den ersten Blick ist die Lösung so einfach wie klar: „ich werde einfach Veganer, Problem gelöst!“ Aber ist es so einfach? Vor allem auch für sportlich aktive Menschen? Lasst uns mal schauen anhand des Buches Muskelaufbau Vegan Kochbuch (siehe hier, Amazon), über das ich neulich zufällig gestolpert bin.
Der erste Eindruck
Das Buch hat einen farbenfrohen Umschlag mit Bildern von Beispielgerichten die einen gesunden und appetitanregenden Eindruck vermitteln sollen. Das Buch ist als AMAZON BESTSELLER kategorisiert, trotz dass es nur 75 Bewertungen hat, dafür aber 4,7 Sterne.
Nimmt man die 5 Sterne Bewertungen etwas genauer unter die Lupe, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich hier oft um „professionelle Kommentatoren“ handelt, denn hier wird sehr viel mit dem Beschreiben des Inhaltes und weniger mit persönlicher Meinung gearbeitet.
Das wäre ja nicht schlimm beziehungsweise sogar wünschenswert, wenn der Inhalt des Buches nicht zugänglich wäre, aber der meiner Meinung nach interessantere Inhalt am Anfang ist es – es fehlen „lediglich“ die Rezepte und der 30 Tage Low Carb Ernährungsplan. Natürlich sind das die Hauptbestandteile des Buches, aber sind wir mal ehrlich: so was findet man auch bei Google. Zudem konnte ich – wohl durch einen Browserfehler – den gesamten Inhalt in der Vorschau einsehen.
Der Zweite Eindruck – Blick ins Buch
Dass das „Muskelaufbau Vegan Kochbuch“ hauptsächlich ein Rezepte-Buch ist, geht bereits aus dem Untertitel hervor:
150 vegane Fitness Rezepte für optimales Krafttraining mit pflanzlicher Ernährung.
Daran ist erst mal nichts falsch. Gut finde ich die einleitenden Kapitel, wo kurz und knapp ein paar wesentliche, trainings-relevante Zusammenhänge erläutert werden, die einem blutigen Anfänger meist nicht so klar und daher für diesen möglicherweise interessant sind. Andererseits wird jemand mit etwas Trainingserfahrung und mehr Hintergrundwissen darüber müde lächeln.
Ein ganz klarer Pluspunkt ist die Erläuterung Berechnung des Gesamtenergieumsatzes anhand der Harris Benedict Formel, die wohl mit Abstand akkurateste Berechnungsstrategie für den individuellen täglichen Kalorienbedarf.
Die Rezepte
Alles in allem wenig Neues. Ähnliche Rezepte findet man auch in „normalen“ also nicht-veganen Sport-und Fitnesskochbüchern nur dass man hier eben Milchprodukte, Eier und Fleisch durch vegane Alternativen (Stichwort: „Tofu-Bolognese“) ersetzt. Ansonsten verwendet man wie im Fitness-Lifestyle üblich viele exotische Zutaten aus der ganzen Welt, und das ist auch Teil meiner Kritik. Mehr dazu gleich.
Der 30-Tage Low Carb Ernährungsplan
Vorab noch eine Anmerkung zum 30-Tage Low Carb Ernährungsplan. Der ist meiner Meinung nach nur Füllmaterial, denn theoretisch sollte jeder in der Lage sein sich aus den 150 Rezepten jeweils Frühstück, Mittag und Abendessen zusammenzustellen und dabei die „Makros“ (Eiweiß, Fette, Kohlenhydrate) und die Gesamtkalorienmenge zu berechnen.
Meine Kritik an dem Buch
Viele interessante Rezepte, mit teuren exotischen Zutaten, die aus der ganzen Welt importiert werden müssen. Ja, sie sind hier erhältlich, aber bedeutet das im Umkehrschluss dann, dass man kein Veganer sein kann, wenn man sich nur aus heimischem Pflanzen ernähren möchte? Ist das ausgewogen nicht möglich? Oder nur zu langweilig? Es scheint fast so.
Das ist die eine Sache. Die andere ist: ein genauerer Blick auf die Makros offenbart das grundsätzliche Problem der veganen Ernährungsweise. In dem Buch wird von einem Durchschnittsmenschen ausgegangen der 80Kg wiegt, und 2100 kcal Grundumsatz hat. Bei diesem Gewicht soll dieser Mensch 2g Eiweiß/Kg Körpergewicht, also 160g Eiweiß pro Tag zu sich nehmen. Sicher ist das nur ein Beispiel. Um diesen konkrete Beispiel geht es auch nicht sondern ums Prinzip.
Denn schauen wir weiter: ein Durchschnittliches Frühstück in diesem Buch hat ca. 400 kcal und 8g Eiweiß. Eine durchschnittliche Hauptmahlzeit 800 kcal und 25 – 30g Eiweiß (z.B. die ominöse Tofu Bolognese 828 kcal und 28g Eiweiß). Macht zusammen gut 1200 kcal und im Falle der Soja-Bolognese zum Mittagessen 36g Eiweiß, was in 2 Mahlzeiten weniger als 1/4 des Tagesbedarfs an Protein entspricht dafür aber der Hälfte des Gesamtenergiebedarfs …
Das Grundproblem
Und das ist das Problem von veganer Ernährung. Zumal für Kraftsportler, vor allem für den Typ Endomorph, der weitestgehend auf Kohlenhydrate verzichten sollte: WO kommt das Eiweiß in der benötigten Menge ohne einen massiven Kalorienüberschuss her? Rechnet es nach. Entweder ihr esst VIEL ZU VIEL Kalorien (und werdet fett oder nehmt bestenfalls nicht ab), oder zu wenig Eiweiß. Oder ihr müsst supplementieren.
Denn die Kalorienbilanz der meisten eiweißreichen pflanzlichen Nahrungsmittel ist derart, dass sie entweder sehr fetthaltig (Nüsse) oder sehr kohlenhydrat-lastig (Hülsenfrüchte, Getreide) sind. Das Äquivalent zum mageren Fleisch oder Fisch gibt es nicht. Dabei lassen wir weiterhin außen vor, dass pflanzliche Nahrungsmittel richtig kombiniert werden müssen um ein komplettes Aminosäurenprofil zu erhalten, wohingegen es bei Fleisch, Eiern und Milchprodukten egal ist, da diese ein vollständiges Aminosäurenprofil enthalten – hier muss nur auf Kalorien (Fett) geachtet werden.
Ein weiteres Problem sind Mikronährstoffe: essentielle Fettsäuren (EPA und DHA), auch bekannt als Omega 3. Die gibt’s nur in fettem Fisch. Vitamin B12 gibt’s in Pflanzen gar nicht. Ja, es wird behauptet, dass es in Bierhefe enthalten sei. Aber warum haben dann viele Vegetarier (also noch nicht mal Veganer) die fleißig und oft Bier trinken trotzdem Mängel? Bzgl. Omega 3 wird auch gern auf Leinöl verwiesen – ob das ein vollwertiger Ersatz ist? Ich bin kein Wissenschaftler, ich weiß es nicht.
Und noch ein Problem: die Nährstoffdichte von Lebensmitteln hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten massiv nachgelassen, teilweise enthalten sie nur noch die 40% von dem was sie eigentlich enthalten sollten – siehe hier!
Und was ist mit Bio?
Gegenfrage: wo ist die Studie die belegt, dass Bio tatsächlich besser ist? Bio ist letztlich ein Feigenblatt das ein gutes Gefühl vermitteln soll aber wenig belegt, und daher auch offen für Missbrauch per Geschäftsmodell „Gutes Gewissen“. Die besten Lebensmittel sind die die man selbst angebaut hat, die Nächstbesten die, die man vom Bauer seines geringsten Misstrauens erworben hat.
Was ich aber weiß ist, dass so ziemlich jeder heutzutage an einem oder mehreren Nährstoffen Defizite hat, und diese sich oft verstärken, da wechselseitige Abhängigkeiten bestehen. Fehlt vom einen was kann vom anderen nicht so viel aufgenommen werden. Ein Teufelskreis, den es erst mal zu durchbrechen gilt.
Leider kann euch ein Hausarzt dabei kaum helfen, selbst wenn er es gut meint. Hausärzte haben was Ernährung angeht in der Regel keine Ahnung bzw. veraltetes Wissen (Stichwort: „gesunde Mischkost essen“) außer er hat sich weitergebildet. Der Fachmann hierfür ist der Ökotrophologe.
In jedem Fall ist es aber eine gute Idee erst mal zu wissen wo du mikronährstofftechnisch stehst. Nur wie? Hausarzt? Kannst du probieren, viel Glück! Du kannst auch auf eigene Faust ein Labor aufsuchen und ein großes Blutbild machen lassen mit allen Aminosäuren und Mineralstoffen. Ist aber nicht billig und: kannst du es richtig interpretieren?
Es gibt aber eine Alternative zum Blutbild – eine günstige und schnelle noch dazu – die Haaranalyse. Wenn du mehr wissen willst – lies das hier.
Fazit
Da „vegan“ zur Zeit nach wie vor in aller Munde ist, ist es mit Sicherheit ein gutes Geschenk für Leute die einerseits vegan ausprobieren möchten und andererseits körperlich aktiv sind.
Wer sich aber ernsthaft in Theorie und Praxis mit dem Thema „gezieltes Training zur Selbstverbesserung“, also, mehr Muckis, weniger Fett, beschäftigen möchte wird seine Erwartungen nicht erfüllt sehen, denn das Kernproblem der Veganen Ernährung ist und bleibt primär die Eiweiß-Versorgung, und langfristig auch die Versorgung mit essentiellen Nährstoffen.
Keine Kombination von pflanzlicher Nahrung ermöglicht eine ausgewogene Ernährung bei gleichzeitiger Deckung des Eiweißbedarfs!
Heißt das, dass man sich nicht vegan ernähren sollte?
Nein, das heißt es nicht. Es heißt, dass man die Nachteile der veganen Ernährung kennen sollte und ausgleichen muss.
Denn letztlich ist es nur ein Zahlenspiel. Wer nicht fett werden will (außer er gehört zu dem Drittel der Bevölkerung die essen können was sie wollen ohne zu zu nehmen), für den gilt Kalorien rein = Kalorien raus. Weniger Kalorien rein als raus = Gewichtsverlust, Mehr Kalorien rein statt raus = Gewichtszunahme.
Konkret heißt das: Leistungsumsatz erhöhen (schwierig, der Tag hat nur 24 Studnen und der Körper braucht auch Zeit zur Regenration oder normale vegane Nahrungsmittel durch veganes Proteinpulver/Aminosäuren (EAA/BCAA) ersetzen oder beides.
Vor allem für kleinere Frauen dürfte es schwierig sein den Proteinbedarf und die Kalorienmenge bei Reduktionsdiäten in Einklang zu bringen. Hier bleibt dann nur noch auf Aminosäuren (EAAs oder BCAAs) zurück zu greifen. Ich würde im Zweifelsfall EAAs („Essential Amino Acids“ – Essentielle Aminosäuren) gegenüber BCAAs („Branch Chain Amino Acids“ – verzweigtkettige Aminosäuren) empfehlen. Ohne jetzt allzu weit auszuholen – EAAs sind einen Tick besser da vollwertiger als BCAAs. Letztere schmecken aber in Getränkepulverform besser, sind also leichter zu konsumieren.
Empfehlungen
Buch Muskelaufbau Vegan Kochbuch (Amazon)
Beliebtestes Veganes Protein Pulver (Amazon)
Günstigstes EAA Pulver (Amazon)
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Günstiges BCAA Pulver (Amazon)
Bestseller BCAA Kapseln (Amazon)
Noch eine Anmerkung zu den verlinkten EAA und BCAA Pulvern. Beide verwende ich selbst, Die EAAs habe ich bisher mit dem Geschmack Lemon-Lime und Green Apple probiert. Sind sehr süß, wenn man sie nach Anleitung anmischt. Daher verdünne ich sie stark und nehme einen gehäuften Messlöffel auf 1,5 L Wasser (statt nur 200ml) für’s Training. Ist dann zwar immer noch süß, aber ok. Abgesehen davon kein komischer Geschmack der Aminosäuren gern nachgesagt wird.
Das BCAA Pulver habe ich bisher nur in der Geschmacksrichtung COLA probiert. Der Geschmack ist für mein Dafürhalten OK, am besten schmeckt es wenn es mit gut gekühltem Wasser angemischt wird (Shaker).