Der Mythos der rotierenden Masse um den sich einige Märchen ranken: immer wieder gerne bemüht, aber meist gibt es wenig klare Fakten zu der Frage:
In wie fern beeinflusst Gewichtsersparnis allgemein, und an den Laufrädern im Besonderen das Fahrverhalten und die eigene Leistung?
Neulich bin ich durch Zufall auf einen interessanten Artikel gestoßen, den ich der Welt nicht vorenthalten möhte. Da er auf englisch ist, hier die deutsche Übersetzung:
Der Fall gegen die rotierende Masse
Eines der Dinge die mich als Physiker und Radrennfahrer am meisten nerven ist, wenn Leute über »rotierende Masse« reden und damit dem Thema wesentlich mehr Bedeutung beimessen als es verdient.
Ja, rotierende Masse ist real. Aber ihre Wirkung ist so gering, dass es die Sache nicht wert ist bei irgendeiner fahrrad-bezogenen Entscheidung auch nur im Ansatz zu berücksichtigen.
Ich versuche mich kurz zu fassen, darum direkt zu den Details. Untersuchen wir einen Unterschied von 500 g am äußersten Rand eines Laufrads (500 g ist er Unterschied zwischen einem Paar verhältnismäßig leichter und einem Paar etwas schwererer Reifen).
Einige Annahmen
Fahrrad + Fahrer + leichte Räder wiegen 80 kg. Fahrrad + Fahrer + schwere Räder wiegen dann 80,5 kg. Nun will ich herausfinden, wie viel Kraft es benötigt um in 10 Sekunden von 10m/s auf 15 m/s zu beschleunigen. (22,4 Meilen/Stunde auf 33,6 Meilen/Stunde). Der Luftwiderstand ist schwierig, so dass wir ihn erst mal nicht berücksichtigen, nur Arbeit = Energie * Zeit (siehe Gleichungen unten).
Leichte Räder: 500 Watt
Schwere Räder: 506,25 Watt
Das macht eine Differenz von 1,25 %. Zu beachten ist, dass die 6 W die durch die leichteren Räder eingespart wurden sich nur beim beschleunigen auswirken, und die Hälfte davon ist von der akkumulierten Gesamtmasse. Die rotierende Masse ist völlig bedeutungslos wenn man mit gleichförmiger Geschwindigkeit dahin cruised.
Aber das ist ohne Luftwiderstand.
Rechnet man den Luftwiderstand mit ein dann wird das Argument pro rotierende Masse noch schwächer. Jeder Mensch ist hier anders, aber der Einfachheit halber mache ich noch ein paar Annahmen.
Nehmen wir an, ein Fahrer könne mittels eines Leistungsoutputs von 250Watt mit 10m/s locker Strecke machen. Wenn das stimmt, dann braucht es 840W um mit 15m/s zu fahren. Um in 10 Sekunden von 10m/s auf 15m/s zu beschleunigen dauert etwa1:
Leichte Räder = 1340W
Schwere Räder = 1346W
Das ist ein Unterschied von 0,4 %. Um das in Relation zu setzen, fahre man einen sehr steilen Hügel hinauf, so kraftvoll wie möglich, 10 Sekunden lang. Dann entferne man einen Teelöffel Wasser aus der Wasserflasche und wiederholt es.
Dieser Unterschied den man fühlt, ist der selbe wie die Gewichtsdifferenz von 500 g bei einer schnellen Beschleunigung in der Ebene. Das ist der gleiche Unterschied den Leute zu bemerken glauben, wenn sie davon reden, wie sich ein Laufradsatz »besser« beschleunigen lässt als ein anderer.
Hier ein kleiner Tipp: wenn Leute über das gewichtsbedingte Beschleunigungsverhalten von Laufrädern sprechen um dich von etwas zu überzeugen, dann liegen sie falsch.
Nichts davon kommt auch nur annähernd an die aerodynamischen Unterschiede zwischen Laufrädern heran (was zweifelsohne den Unterschied in der rotierenden Masse überschatten wird). Oder um es vereinfacht zu sagen: rotierende Masse IST. NICHT. SO. WICHTIG.
Ja, wenn alle andere Einflussfaktoren gleich sind, dann wird dich die Verringerung der rotierenden Masse schneller machen. Aber nichts ist umsonst bzw. es muss ein Kompromiss eingegangen werden, und wenn alles andere beeinträchtigt wird um die rotierende Masse zu verringern wird es das wahrscheinlich nicht wert sein.
Einige Gleichungen:
Translatonale KE=1/2m(total)*v2T
TRotationale KE=1/2 I*w2
v=w*r
I (einer Felge, das ganze Gewicht am äußeren Rand) = m(Felge)*r2
Mit einigen Substitutionen erhalten wir: KE(total)=1/2V2*(Mtotal+Mrotational)
1 Die eigentliche Mathe hier erfordert eigentlich ein Integral, was nicht allzu schwierig ist, es ist aber auch nicht besonders aufschlussreich. Die hier verwendete Zahl ist trotzdem eine gültige Darstellung für das was ich zu verdeutlichen versuche.
„ Eines der Dinge die mich als Physiker und Radrennfahrer am meisten nerven ist, wenn Leute über »rotierende Masse« reden und damit dem Thema wesentlich mehr Bedeutung beimessen als es verdient.“
Aha. Und dann verwechselt der „Physiker“ gleichzeitig Leistung mit Arbeit und vergisst, dass Arbeit und Energie hier dasselbe sind. 🤦♂️
(„ Arbeit = Energie / Zeit“)
Falsch!
Arbeit = Kraft * Zeit und
Leistung = Arbeit / Zeit.
Naja, vielleicht auch ein Übersetzungsfehler.
Hallo Jan,
Danke für deinen Kommentar – möglicherweise ein Tippfehler des OP, den ich seinerzeit übernommen habe und den ich jetzt nach Prüfung korrigiert habe. Da du vermutlich mehr Ahnung von Physik hast als ich – würde ich mich freuen wenn du noch einen Kommentar zur grundsätzlich inhaltlichen Richtigkeit (Falschheit) des Artikels abgeben könntest. Wohlgemerkt geht es hier ja nicht um Extreme sondern geringfügige Differenzen denen überproportional viel Bedeutung beigemessen wird.
Viele Grüße,
Andreas
Also laut meinen bescheidenen Physik-Kenntnissen aus der Realschule ist
Arbeit(W) = das Produkt aus Kraft(J/N*m/W*s) Mal Weg (s) -nicht ZEIT.
Kann man auch so bei Wikipedia nachlesen…
Was ich durchaus in der Praxis als überbewertet finde ist der werbewirksame Ausspruch:
mein TPU Schlauch hat weniger Gewicht und damit das Laufrad weniger Rollwiderstand.
Das ist zwar mathematisch berechenbar und Physikalisch belegbar, aber in der Praxis so gering, dass man solche Auswirkungen nicht wirklich spürt.
Ich benutzte die Dinger einfach als Reserveschlauch, um Platz in der Satteltasche zu sparen.