Für Fern- und Vielradler ist es quasi ein ungeschriebenes Gesetz: Kernledersattel fahren ist Pflicht, denn nur ein solcher verspricht viele Tausend Kilometer Komfort.
So wurde auch ich ziemlich bald nachdem ich mir mein erstes Fernreiserad gekauft hatte ebenfalls Besitzer eines Brooks B17 und hatte dies seither auch nie bereut.
Mein erster Brooks B17 hielt ca. 60.000 km. Dann war er so lang, dass die Spannschraube Probleme machte, auch nicht mehr so bequem war und sich beim Fahren zusehends der hinteren Bügel des Gestells bemerkbar machte, egal wie ich ihn einstellte.
Also wurde er in den Ruhestand geschickt und durch den B17 #2 ersetzt. Eingefahren war er erstaunlich schnell und das, obwohl ich diesmal keine „Geheimprozeduren“ anwandte um ihn schneller bequem zu machen.
Üblicherweise wird empfohlen, den Sattel im Backofen bei 50° C anzuwärmen um in dann vor allem unten dick mit Proofide, dem Brooks Lederfett, einzuschmieren. das soll zum einen helfen das Leder geschmeidiger zu machen und es zum anderen schützen.
Bei meinem ersten Sattel hatte ich das so gemacht, und er dankte es mir mit – in meinen Augen – vorzeitigem Ableben.
Beim B17 #2 habe ich es dadurch absichtlich vermieden, was kein Problem und daher schon mal eine Kostenersparnis war (Proofide ist nicht billig…), allerdings ist er mir gefühlt jetzt schon zu weich, so dass ich ihn schon deutlich Nachspannen musste. Und das ohne großartig viele Stunden im Sattel verbracht zu haben.
Also hielt ich immer mal etwas nach Alternativen Ausschau, aber entweder waren sie zu teuer für meinen Geschmack, und/oder die Sättel waren zu schmal.
Die richtige Breite ist wahrscheinlich das wichtigste Kriterium beim Sattelkauf, denn sie entscheidet ob man mit den Sitzknochen auf dem Sattel sitzt oder bei zu schmalem Sattel dazwischen.
Auf kurzen Strecken ist es relativ egal welchen Sattel man fährt, aber je länger die Strecken werden, desto mehr trennt sich die Spreu vom Weizen.
Ist der Sattel zu breit, was eher selten vorkommt, dann kommt es zu unerwünschter Friktion und man scheuert sich im schlimmsten Fall wund.
Ist er zu schmal, was meistens der Fall ist, dann ruht der Sattel zwischen den Sitzknochen und das Körpergewicht und jede Unebenheit wirkt direkt auf die Wirbelsäule. Autsch!
Meinen persönlicher Aha-Effekt hatte ich bei meinem Fatbike. Der ab Werk montierte Sattel war etwas breiter als die üblichen MTB-Sättel und ich fand ihn von Anfang an sehr bequem – für einen Nicht-Ledersattel.
Irgendwann stieß ich dann mal beim Surfen per Zufall auf die SMC Serie von Ergon. Ergon ist vor allem bekannt für seine beliebten ergonomischen Griffe, andere Produkte von Ergon hatte ich eher nicht so auf dem Radar. War der Ergon SMC3 also vielleicht eine Brooks B17 Alternative?
Kurzentschlossen kaufte ich mir den Ergon SMC3 in der breitesten Variante. Mit um die 80 Euro zwar ein gutes Stück teurer als ein B17, dafür aber auch nur halb so schwer.
Ich bin immer daran interessiert ein paar Gramm Gewicht zu sparen, denn konsequent angewendet machen ein paar Gramm hier und ein paar Gramm dort schon etwas aus.
Nicht dass ich erwarte schneller zu sein oder dass Berge dann weniger Anstrengung erforderten. Nein, der Vorteil eines relativ leichten Rades ist es, wenn man es regelmäßig einige Stockwerke hoch und runter tragen muss.
Gewicht sparen ja, aber nicht um jeden Preis. Geht es zu Lasten der Stabilität und der Zuverlässigkeit dann ist dass meiner Ansicht nach am falschen Platz gespart.
Aber letztlich muss ein Sattel bequem sein, also so bequem ein Sattel eben sein kann und soll. Und das ist der Ergon SMC3.
Nach mehreren Testfahrten, auf denen ich bewusst versuchte möglichst lange Phasen auf dem Sattel sitzend zurückzulegen, muss ich sagen, ich war positiv überrascht, denn ich hatte weder Sitzprobleme noch Kreuzschmerzen.
Positiv am Ergon SMC3 gegenüber dem Brooks B17 ist, dass er schmaler ist, insbesonders die Sattelnase, wodurch es wesentlich einfacher ist auf steilen Abfahrten den Hintern hinter den Sattel zu bekommen.
Pro/Contra Brooks B17
- ( + ) Bequem wenn richtig dimensioniert
- ( + ) Passt sich der eigenen Anatomie an
- ( + ) Die flexible Lederdecke federt Unebenheiten ab
- ( + ) Preis ~ 60 Euro
- ( + ) Stylish
- ( – ) Schwer ~ 520 g
- ( – ) Muss öfter nachgespannt und dadurch auch öfter neu eingestellt werden
- ( – ) Quietscht und knarzt
- ( – ) Kommt bei Sattelstützen mit zu wenig Setback (die meisten) nicht weit genug nach hinten
- ( – ) Ist der Nachspannbereich ausgereizt muss er ersetzt werden
Pro/Contra Ergon SMC3
- ( + ) Leicht, ~ 270 g
- ( + ) In drei verschiedenen Breiten erhältlich
- ( + ) mm-Skala auf dem Gestell zum besseren Einstellen
- ( + ) Vertiefungsrinne in der Mitte zur Druckentlastung
- ( + ) Schmale Sattelnase verhindert Scheuern und erleichtert das Verlagern des Gewichts hinter den Sattel
- ( – ) Preis ~ 80 Euro
Konzipiert als Allround-MTB-Sattel für Tourenfahrer und Fahrer mit Sitzproblemen ist der Ergon SMC3 aus meiner Sicht auf jeden Fall interessant für alle, die in eine dieser beiden Gruppen gehören, aber auch für all jene, die aus anderen Gründen keinen Ledersattel fahren können oder wollen bzw. mit anderen Nicht-Ledersätteln nicht zu Recht kommen.
Letztlich kommt’s aber auf die Langzeiterfahrung an. Ich werde berichten!
Sattelkauf
Wer den einen oder anderen Sattel erwerben will, kann das beispielsweise hier tun:
Falls ihr dort was kauft bekomme ich im Idealfall ein paar Cent vom Verkäufer, euch kostet es aber keinen Cent extra. Reich wird man davon nicht, geschweige denn, dass es reichen würde allein nur die Hostingkosten zu bezahlen…