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Steel is Real – Rahmenmaterialien nüchtern betrachtet.

Ich mag Stahlrahmen. Sie sind das Versprechen von Zuverlässigkeit, gutem Handling in Kombination mit filigraner Optik. Doch Stahlrahmen ist nicht gleich Stahlrahmen und das gleiche gilt für jedes andere Material.

Neulich bin zufällig über einen Artikel gestolpert der übersichtlich die Vor- und Nachteile jedes Materials auflistet:

Kohlefaser vs Aluminium vs Stahl vs Titan

Was sind die tatsächlichen Unterschiede zwischen Kohlefaser Aluminium Stahl und Titan? Was die Vor- und Nachteile der einzelnen Materialien?

Kohlefaser

Die meisten High-End Bikes sind aus diesem Material gefertigt, und das aus gutem Grund:

Vorteile

  • Leichtestes Material
  • Stabilstes Material
  • Material mit der höchsten Steifigkeit
  • Beste Dämpfung
  • Ermöglicht beliebigste Rahmendesigns
  • Flexibel wo nötig
  • Korrodiert bzw. rostet nicht wie Stahl

Nachteile

  • Teuer
  • Carbon ist nicht gleich Carbon
  • Kann brechen/Risse bekommen
  • Stabilität und Steifigkeit hängen vom Design ab

Aluminium

Viele Einstiegsräder sind aus Alu gefertigt, da sie Steif und ausreichend leicht hergestellt werden können um viel Fahrspaß zu bieten.

Vorteile

  • Leicht
  • Stabil
  • Steif
  • Kann in Form gegossen werden
  • Großartig für Bergauffahrten und Sprints
  • Rostet bzw. korrodiert nicht 1
  • Günstiger als Carbon

Nachteile

  • Unkomfortabler auf schlechten Straßen 2
  • Kann mit der Zeit ermüden, um dem vorzubeugen werden die Rohre überdimensioniert, was wiedrrum Mehrgewicht bedeutet
  • Nicht so einfach zu reparieren 3
  • Schwache Verbindungsstellen

Stahl

Stahl hält ein Leben lang. Es ist ebenfalls das Material das am einfachsten zu reparieren ist, was es zu für ausgedehnte Touren prädestiniert.

  • Günstig
  • Stabil
  • Flext etwas und erhöht somit den Komfort 2
  • Das haltbarste aller Materialien
  • Lebendiges Fahrgefühl 2
  • Einfach zu bearbeiten und zu reparieren 3

Nachteile

  • Schwer
  • Rost/Korrosion
  • Flext zu sehr für den Renneinsatz

Titan

Titan ist ein Metall das die Aspekte von Aluminium und Stahl in sich vereint … bessere Dämpfung als Aluminium aber nicht ganz so leicht.

Vorteile

  • Kugelsicher
  • Die Dichte liegt zwischen Stahl und Aluminium was es steif UND dämpfend macht
  • Lebendiges Fahrgefühl
  • Dämpfend
  • Korrodiert nicht

Nachteile

  • Teuer
  • Aero-Forming ist schwierig aufgrund von eventuellen Schweißproblemen
  • Schwierig zu reparieren
  • Es müssen Abstriche an der Steifigkeit zugunsten der Dämpfung gemacht werden

Meine Vorlieben …

(Die des Autors des Originalartikels, nicht meine, Anm.)

Ich nenne wenigstens ein Rad das jeweils aus einem der Materialien gefertigt ist mein eigen. Am meisten benutze ich Carbonräder, aber es gibt Ausnahmen:

Radfahren im Winter – hier verwende ich einen Alu-Rahmen, da ich meine teuren Kohlefaser-Rahmen nicht ruinieren will, aber trotzdem ein bike möchte, mit dem man schnell bergauf fahren kann.

Downhill Mountainbike – Ich mag meinen Titan-Rahmen, er fühlt sich unzerstörbar an.

Touren – Hier würde ich aufgrund der Zuverlässigkeit und Einfachheit von Reparaturen einen Stahlrahmen verwenden.

Mir ist klar, nicht jeder hat das Glück, über so eine so große Auswahl an Fahrrädern verfügen zu können und den Kostenfaktor muss man auch berücksichtigen. Wenn man gerade mit Radfahren anfangen möchte ist ein Carbonrahmen nicht nötig. Mein erstes Rad war aus Aluminium und es war fantastisch. Ich habe es immer noch … ich fahre auch immer noch damit.

Jedes Material hat unterschiedliche Qualitäten behalte sie im Auge wenn du dein nächstes Rad kaufst.

Zum Orginalartikel geht’s hier.

Anmerkungen zum Artikel

1 Rost und Korrosion: es stimmt zwar schon dass Stahl rostet, aber zeitgenössische, qualitativ hochwertige Chrom-Molybdän-Stähle sind sehr widerstandsfähig und rosten nur oberflächlich – nachlässige Pflege vorausgesetzt. Es ist also nicht so dass, einem das Rad unterm Ar*** weg rostet.

Weiterhin hat Pflege (mehr Pflege vs. weniger Pflege), Einsatzbereich (ganzjährig, Salz im Winter, korrosives Klima, am Meer beispielsweise, usw.) und nicht zuletzt die Qualität der Lackierung/Beschichtung einen wesentlichen Einfluss auf das Rosten von Stahlrahmen.

Was Aluminiumrahmen angeht: auch diese Korrodieren, sogar noch viel stärker als CrMo-Stahlrahmen, allerdings fungiert die Korrosionsschicht als Schutzschicht die weitere Korrosion verhindert.

2 Im Prinzip kann ich das Märchen vom komfortablen Stahlrahmen/unkomfortablen Alurahmen nicht mehr hören. Das ist Radlerlatein. Es stimmt zwar in sofern, als dass ein Stahlrahmen aus dünnen, mehrfach-konifizierten Rohren mehr flext und somit eeventuell einen Komfortvorteil bietet – dieses Argument pro Stahlrahmen ist eins von mehreren die mit Vorliebe gerne von Touren- und Langstreckenradlern (Radtouristen) bemüht werden.

ABER:
Was passiert wenn ich einen solchen filigranen Stahlrahmen mit zusätzlich 30-40 Kg Gepäck + Wasser + Proviant belaste?

Richtig, er wackelt wie ein Kuhschwanz und fährt sich total instabil. Darum fahren die meisten Tourenradler Stahlrahmen mit einem Gewicht das näher an 3 als an 2 Kg ist, und das sind Rahmen deren Verwandtschaft eher bei Wasserrohren als irgendeinem filigranen High-End Geröhr mit ehrfurchterbietenden Namen anzusiedeln ist.

Komfort ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, wovon das Rahmenmaterial nur einer ist. Im Umkehrschluss heißt das, dass das Rahmenmaterial nicht das ultimativ entscheidende Kriterium ist wenn es um Komfort geht. Persönlich habe ich schon einige Stahl- und Alurahmen gefahren und kann dieses subjektive Gefühl nicht bestätigen.

Einige Einflussfaktoren hinsichtlich Komfort sind unter anderem:

  • Rahmenmaterial
  • Starrgabel/Federgabel
  • Sattel
  • Lenker und Griffe
  • Sitzposition
  • Menge an Gepäck
  • Trainingszustand des Fahrers
  • Gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit
  • Häufigkeit von Pausen
  • Länge von Tagesetappen

3 dDas Argument Stahlrahmen seien einfach/Alurahmen (bzw Titan) dafür schwierig zu reparieren: der Zweite Mythos. Es stimmt zwar, dass ein Schweißgerät mit dem man Stahl schweißen kann so ziemlich in jedem Ort und auf jeder Baustelle zu finden ist.

ABER:
Filigrane Stahlrohre mit Baustahlelektroden schweißen, und zwar so schweißen, dass wieder eine dauerhaft haltbare Verbindung entsteht, würde ich als große Kunst bezeichnen. Ob man auf Baustellen und in den Hinterhöfen der Welt große Künstler findet? Vielleicht.

Was in so einem Fall möglich ist, ist in der Regel den Rahmen kurzfristig wieder funktionsfähig zu bekommen um damit fahrend einen Ort zu erreichen wo der Rahmen professionell instand gesetzt werden kann.

Genauso gut könnte man diesen Ort aber auch mit Laster, Bus oder Bahn erreichen und dann wieder an den Ort des Schadens zurückfahren (hinfahren, falls der Ort in der Richtung liegt aus der man kam), um von dort die Reise fortzusetzen, sofern man zu der Kategorie »ununterbrochene Linie/jeden Meter aus eigener Kraft fahren«-Radler gehört.

Mit der Reparierbarkeit von Alurahmen verhält es sich ähnlich. Es stimmt zwar, dass Aluminium aufgrund seiner Eigenschaften schwieriger (oder sagen wir besser: anders) zu bearbeiten ist als Stahl, allerdings ist es ein Märchen, dass es nahezu ein Ding der Unmöglichkeit sei einen Alurahmen »im Feld« repariert zu bekommen.

Aluminium ist das am häufigsten in der Erdkruste vorkommende Metall, und ist überall im Alltag und in de Industrie zu finden. Das lässt erwarten, dass wenn Aluminium so weit verbreitet ist, es auch ausreichend Möglichkeiten gibt es zu bearbeiten, inklusive zu schweißen.

Ich erinnere mich an einen Deutschen namens Bumbum, der vor ca. 10-15 Jahren eine Reise mit einem Fully nach Afrika unternommen hat. Er hat es natürlich auch vollgepackt wie das Tourenradler eben tun, bzw. wie man das damals eben tat.

NUR:
Das Rad war konstruktionstechnisch nicht auf die lateralen Verwindungen und das Mehrgewicht ausgelegt, darum hatte er öfter Probleme mit Brüchen. Probleme diese innerhalb einer Tagesreise repariert zu bekommen hatte er aber selbst im tiefsten Urwald nicht. Soviel zum Mythos Reparierbarbeit eines Alurahmens im Feld.

Fazit

Stahlrahmen sind toll. Elegant. Solide. Sie sind aber auch (relativ) schwer und bedürfen situationsbedingt unter Umständen mehr Aufmerksamkeit und Pflege als Aluminiumrahmen.

Dass Stahlrahmen einfacher und Alurahmen schwieriger zu reparieren sind ist ein Mythos. Ebenso gehört die Aussage, dass Stahlrahmen per se komfortabler da elastischer seinen (bzw. Alurahmen per se weniger komfortabel, da weniger elastisch) ins Reich der Mythen.

Selbstverständlich kann man einen Stahlrahmen individuell als elastischer empfinden, das hat aber dann mit verschiedenen Faktoren zu tun wie etwa Legierung, Konstruktion, Rohrdurchmesser, Wandstärke, Konifizierung der Rohre oder nicht usw. Egal wie, Stahl ist eines der härtesten und damit unelastischsten Materialien die es gibt, also wenn ein Stahlrahmen »weicher« ist als andere dann ist das keine Materialeigenschaft, siehe hier, sondern der Grund dafür ist woanders zu suchen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, ist der Rahmen elastischer bringt er die Antriebsenergie des Fahrers weniger effizient auf die Straße.

Ich persönlich würde mich jederzeit für einen Stahlrahmen entscheiden, wenn ich ihn gut finde, auch wenn er ein halbes Kilo mehr wiegt als ein vergleichbarer Alurahmen.

Ich würde mich aber auch jederzeit für einen Alurahmen entscheiden ohne schlaflose Nächte zu bekommen. Mein Fatbike hat einen Alurahmen, der sich extrem gut fährt und ich fuhr viele Jahre einen GT Zaskar Alurahmen – ein super Rahmen, der war unkaputtbar, irgendwann war dann aber die Zeit für was Neues gekommen und so hab‘ ich ihn verkauft.

Gewicht ist relativ, und rotierende Masse weitestgehend ein praxisfremder Mythos. Dennoch lohnt es sich beim Fahrrad auch auf’s Gewicht zu achten.

WARUM?
Zum einen ist es bares Geld, das man zum Beispiel auf Flügen spart, wo nach Gewicht abgerechnet wird. Die gilt es zwar grundsätzlich zu meiden, aber manchmal bekommt man 10 Kg extra auf Kulanz für Sportgepäck. Mit 7 Kg Carry-On Baggage und Hip-Bag mit Wertsachen und die Kamera um den Hals gehängt reicht das oft um ohne drauf zu zahlen davon zu kommen. Manchmal aber auch nicht.

Zum anderen ist es toll ein leichteres Rad zu haben, für alle Gelegenheiten wo es passiv bewegt wird (a.k.a. tragen). Also beispielsweise wenn das günstigste Zimmer wieder im 4. Stock unterm Dach ist und es keinen Aufzug gibt.

Weniger ist oft mehr, allerdings wird das Rad alleine es aber auch nicht raus reißen, es geht um die Gepäckstrategie im Ganzen.

Und was ist mit Carbon und Titan?

So wie ich es sehe ist es letztlich eine Frage der persönlichen Präferenz. Es spricht aus meiner Sicht nichts Grundsätzliches gegen diese beiden Materialien, aber sie liegen außerhalb dem was mein Bankkonto hergibt, und für meinen Anwendungsbereich bringen sie mir nicht den entscheidenden Vorteil/Spaß/wie auch immer um die Ausgabe zu rechtfertigen.

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