Radfahren bei Hitze oder ganz allgemein körperliche anstrengende Aktivitäten bei Hitze sind mit nicht zu unterschätzenden Gefahren verbunden – regelmäßig sterben selbst in unseren Breiten im Sommer Leute daran! Ich selbst befand mich auch schon mehrfach in kritischen Situationen und nur durch Wissen und Erfahrung, wodurch ich dann eben vorbereitet war, kam ich aus der Nummer raus.
Mein absolut einschneidendstes Erlebnis bis dato: Westchina auf dem Weg nach Kashgar, von der kirigisisch-chinesischen Grenze am Irkeshtam-Pass von wo es leicht, aber kontinuierlich bergab geht. Es ist heiß, die Luft trocken und der Wind ist günstig – man kommt sich vor wie ein nasses Stück Wäsche, das aufgrund des Winds und der Temperatur im Nu trocken ist.
Ich fliege nur so dahin. Mein T-Shirt ist trocken, ich schiebe es auf den Fahrwind und anstrengend treten muss ich ja ohnehin nicht. Es hätte mir zu denken, bzw. ich hätte die Zeichen deuten sollen. Wenig später stellt sich leichte Übelkeit ein. Die Sonne? Ich mache Pause im Schatten. Es ist unwesentlich besser und nach der Kargheit des Pamirs, auch oder vor allem kulinarisch, lockt Kashgar doppelt.
65 km vor meinem Tagesziel, Kashgar, gute hundert hatte ich an dme Tag schon auf der Uhr, halte ich an einer Brücke, einer neuen, gut ausgebauten Straße. Straßen bauen, das können sie, die Chinesen. Die Brücke ist an sich nichts Besonderes, und wäre da nicht das Geländer welches auch aus Beton gefertigt ist, andernfalls würde man die Stelle wahrscheinlich noch nicht mal als Brücke wahrnehmen.
Diese chinesischen Brücken sind eine wie die andere Zweckbauten, aber für Radler haben sie einen entscheidenden Vorteil: sie sind breiter als die Straße und haben eine kleine Haltebucht. Das ist daher praktisch, denn nicht immer ist die Böschung oder der Straßengraben attraktiv zum pausieren, außerdem, kann man sein Rad an das Geländer lehnen.
Jedenfalls, halte ich an, steige ab und das nächste was ich weiß ist, dass ich am Boden liege und keine Ahnung habe wo ich bin, wer ich bin oder was ich hier mache. Wer schon jemals einen Kreislaufkollaps hatte kennt das bizarre Gefühl, es ist ähnlich wie ein Computer der abstürzt: Blackout, Reboot und Bootstrapping in Zeitlupe – der Computer fährt hoch und so langsam kommt die Erinnerung wieder.
Dann kommt die Erinnerung langsam zurück, ich werde mir meiner Situation bewusst und mir ist schlagartig klar: ich bin dehydriert!
Entgegen allgemeinem Vorstellungen und wie der Begriff „Dehydration“ von seinem lateinischen Wortstamm her vermuten lässt, handelt es sich nicht primär um Flüssigkeitsmangel sondern um einen Mangel an Mineralsalzen, allen voran Natriumchlorid, aber auch Magnesiumchlorid, Calciumchlorid und vor allem aber Kaliumchlorid ist immens wichtig (siehe Ringerlösung hier).
Ausreichend getrunken hatte ich, aber was nutzt es wenn die Mineralien ausgeschwitzt sind und das Wasser nicht binden können? Dann kann es sogar zu einer Wasservergiftung kommen, was nichts anderes ist als ein ZUVIEL an Wasser und ein ZUWENIG an (den richtigen) Mineralien. Bei Ausdauersportlern ist das kein unbekanntes Phänomen.
Glücklicherweise war ich auf die Situation vorbereitet, ich hatte noch knapp einen Liter Wasser und sogenannte ORS – Oral Rehydration Salts, das Problem war nur, dass sie in der hinteren Packtasche waren mit der das Rad ans Brückengeländer lehnte und sobald ich aufstand wurde mir wieder schwarz vor Augen.
Irgendwie schaffte ich es dann doch das Rad umzudrehen und an das lebensrettende Pulver zu kommen, denn auf Hilfe von den freundlich winkenden LKW Fahrern konnte ich kaum hoffen, dachten sie doch wahrscheinlich der komische Laowei mit dem Rad macht gerade eine Pause …
Die Lösung war dann schnell hergestellt, reinleeren und schütteln, schmeckt sogar ganz passabel, jetzt nur aufpassen und nichts von dem kostbaren Nass verschütten!
Was kaum zu glauben ist, wenn man’s nicht selbst erlebt hat: eine halbe Stunde später war ich wieder soweit hergestellt, dass ich weiterfahre konnte. Als ob nichts gewesen wäre erreichte ich Kashgar wie geplant.
Sich ganz alleine in einem fremden Land dessen Sprache man nicht mächtig ist, und deren Kultur man noch nicht verstanden hat aus einer potenziell lebensgefährlichen Situation zu befreien war eine der ganz großen Erfahrungen in meinem Leben.
Natürlich ist es irgendwo „Peanuts“ wenn man weiß was man tun muss und vorbereitet ist. Der Unterschied ist aber, dass der der weder mental noch sonst wie vorbereitet ist, solch eine relativ einfach zu beherrschende Situation unter Umständen eben nicht überlebt.
14 Tipps damit du das Radfahren bei Hitze überlebst
- Die Symptome erkennen und darauf achten lernen
- Immer ausreichend Wasser dabei haben, der wissen wo die nächste Nachschubmöglichkeit ist
- Oral Rehydration Salts dabei haben, ich empfehle Elotrans (10er, 20er)
- Bei leichten Problemen hilft auch die einfachere SSS-Variante* aus Salz, Zucker und Wasser
- Früh starten
- Entspannt/mit weniger Leistung fahren
- Öfter Pause machen
- Im Schatten fahren, wo möglich (Wald)
- Kopfbedeckung tragen und diese ggf. anfeuchten (sofern der Schweiss es nicht tut)
- Besser ein dünnes weites Baumwollhemd tragen, als zuviel nackte Haut = weniger Flüssigkeitsverlust
- Abkühlen wo möglich: Brunnen, öffentliche Wasserhähne, Flüsse, Seen, …
- Über die heißeste Zeit am Mittag lang Pause machen
- Salzhaltiges essen, Suppen und Brühen sind super
- Möglichst keinen Alkohol trinken, der deyydriert zusätzlich
Anmerkungen
* SSS-Variante (Simple Sugar Salt Solution): auf einen Liter ca. 7 Teelöffel Zucker, 1 Teelöffel Salz (Kochsalz, also Natriumchloridund falls vorhanden, einen Natrontablette oder eine Prise Backpulver (siehe hier).
Wie man an den Angaben schon sieht ist das keine super exakte Angelegenheit, Löffel können unterschiedlich groß sein, der eine häuft sie mehr, der andere weniger. Meiner Erfahrung nach ist das grobe Mischungsverhältnis Zucker:Salz von 7:1 absolut ausreichend und wirkt Wunder.
Wer sich irgendwo stationär befindet, in einem Guesthouse beispielsweise, und keine Apotheke wo er sich fertige ORS kaufen kann, kann sich aus Wasser, Orangensaft, Zucker, Salz und Natron/Backpulver eine Mischung machen, Anleitung siehe hier.
Der Orangensaft sorgt für’s Kalium wobei Natron bzw. Backpulver der Übersäuerung entgegenwirken soll.
Meiner Ansicht nach ist Übersäuerung das kleinste Problem und kann vernachlässigt werden. Kaliummangel ist jedoch ein sehr großes Problem. So groß, dass Wasser, Zucker und Natriumchlorid als minimale Notlösung unter Umständen nicht ausreicht.