Das 2015er Kona Wo hat meiner Ansicht nach gute Chancen auf den Platz des Expeditionsbikes mit dem besten Preis-Leitungsverhältnis.
Interessanterweise, oder sollte ich besser sagen: unverständlicherweise, liest man relativ wenig über das 2015er Kona Wo, was auch schon zu einigen Irritationen in einschlägigen (amerikanischen) Foren führte. Also hab ich mir gedacht, schreib ich doch mal was dazu.
Ein Fatbike ist aufgrund seiner dicken Reifen prädestinert als ultimatives Expeditonsrad. Fatbikes funktionieren ähnlich dem Schneeschuhprinzip, bei dem das Gewicht auf eine größere Fläche verteilt wird wobei zusätzlich durch den nun möglichen niedrigen Reifendruck die Auflagefläche weiter vergrößert und ein Einsinken auf weichem Untergrund damit zuverlässig verhindert wird.
Durch diesen „Float“ ergeben sich völlig neue Einsatzmöglichkeiten und es erschließt neues Terrain das konventionellen Rädern bisher verwehrt blieb oder nur unter großen Mühen befahren werden konnte. Schnee, Kies, Matsch – jeder der schon mal eine vom Regen aufgeweichte Naturpiste oder Grobschotterwege gefahren ist, weiß wovon ich spreche.
Ein Fatbike unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von einem „normalen“ Rad. Ins Auge stechen natürlich erstmal die monströsen Reifen die auf eben solch gigantisch breiten Felgen aufgezogen sind. Im Vergleich zu jedem normalen Fahrrad besonders auffällig sind hier außerdem die zur Gewichtsreduktion ausgesparten Löcher aus denen sich das Felgenband herauswölbt.
Das das die Fahreigenschaften nicht nur Spekulation sind, bewies Jakub Postrzygacz‘ mit seiner heldenhaften Solo-Erstbefahrung der Canning Stock Route in Westaustralien eine Strecke an der sich Radfahrer bis Data die Zähne ausgebissen hatten. Er benutzte ein Pugsley von Surly, das erste Serien Fatbike, und das Rad das den Fatbike-Boom in Nordamerika auslöste.
Surly dürfte wohl nach wie vor unangefochtener Marktführer in diesem Bereich sein, und das Pugsley mit seinen Mods wohl das beliebteste Expeditionsbike.
Aber die Konkurrenz schläft nicht, und KONA hat mit dem 2015er Wo ein Rad auf den Markt gebracht das gute Chancen hat dem „Pug“ Konkurrenz zu machen.
Warum?
Ganz einfach: wenn man genau hinschaut ist es zu einem sehr guten Preis zu haben, dabei ist es besser ausgestattet und leichter als die Konkurrenz.
Was meine ich mit genau hinschauen?
Das meine ich damit:
- Derzeit ist das Kona Wo 2015 für ca. 1700 Euro zu haben
- Leichter als ein Komplett-Pugsley (ca. 20Kg), das 19″ Wo wiegt knapp unter 16Kg
- Rahmen: AL 7005 – meiner Meinung eher ein Vorteil wegen Korrosion im Winter und der „Stahl im Gegensatz zu Alu überall schweißbar Mythos“ hinkt ohnehin
- Mechanische Scheibenbremsen Avid BB7
- Felgen: 80mm SUN Mule Fut, damit besteht die Möglichkeit sowohl schmälere als auch noch breitere Reifen als die montierten 4,5″ Schlappen zu fahren
- Es hat Befestigungsmöglichkeiten für einen Hinterradgepäckträger als auch vorne an der Gabel, d.h. egal ob mit Packtaschen oder Bikepacking-Style man hat kein Problem sein Gepäck am Rad zu befestigen
- Das Rahmendreieck ist groß genug für eine Rahmentasche
- Schaltung: Deore Ausstattung + SLX Shadow Plus Schaltwerk
- Raceface 2-fach 22/36 Kurbel
- Zahnkranz HG50 11/36
- Solide industriegelagerte Naben in 135mm/190mm O.L.D. mit 15mm Achse
- Hochwertige Sattelstütze mit 2-fach Klemmung in Fahrtrichtung zur perfekten Justierung des Sattels
- Sieht gut aus, das Auge fährt ja auch mit
- Möglicherweise Rock Shox Bluto kompatibel, siehe Bild unten
Ein Fatbike – das „ein für alles“ Rad?
In der Theorie interessant ist auch die Idee ein Rad für alles zu haben. Der Umfang der Räder entspricht in etwa dem von 29er Rädern, und auch die Geometrie des Rahmens ist an 29″ angelehnt. Gebremst wird mit Scheibenbremsen, da gibt’s also auch keine Probleme. Eigentlich muss man nur die fetten 26″ Laufräder gegen 29er tauschen um ein sportlich-agiles 29er Mountainbike zu erhalten.
Diese Art der Experimente hat meines Wissens nach Nicholas Carman als erster mit seinem Pugsley gemacht, kann mich aber auch täuschen, jedenfalls heisst die Surly Pugsley basierte Kreation seit dem her „Kranmpug“ (von Surly Krampus, dem ersten 29+ und Pugsley).
Einziger Nachteil: die Naben fallen mit 350-400 Euro preislich zur Zeit noch sehr ins Gewicht, vor allem wenn man sich gleich für den neuen 29+ (29×3.0) Standard des Surly Krampus und ECR wappnet schlägt der Laufradsatz bereift locker noch mit 700 Euro zu Buche. Aber warten wir mal ab was die Zukunft so bringt.
Fatbike fahren
Das erste was mir neben dem lauten Abrollgeräusch der Monsterreifen auf Asphalt aufgefallen ist, ist der Q-Faktor, also der seitliche Abstand der Pedale zueinander. Bedingt durch die erforderliche Breite des Hinterbaus muss der Kurbelantrieb zwangsläufig breiter ausfallen. Es ist im ersten Moment ungewohnt, aber nach 2-3 Fahrten merkt man es nicht mehr.
Man muss auch ganz klar sagen, befestigte Wege sind nicht die Domäne von Fatbikes. Relativ anstrengend zu fahren freue ich mich jedes mal , wenn ich den Asphalt hinter mir lassen kann. Ein unterschied wie Tag und Nacht, hier ist das Fatbike in seinem Element.
Besonders faszinierend ist es im Schnee zu fahren. Anstrengender, ja, aber es ist unglaublich welche Traktion man mit diesen fetten Reifen hat (vielleicht ist es zum Teil auch die spezielle Gummimischung der Veetire Snowshoe Reifen), aber an einem Steilen Stück mit festgetretenem Schnee war es mir fast unmöglich zu Fuß hoch zu laufen, mit dem Fatbike aber kein Problem!
Es fährt sich auch sehr souverän auf aufgeweichten Trails. Am Anfang ist man noch vorsichtig, da man nicht das Fahrverhalten noch nicht richtig einschätzen kann, aber Matsch, Pfützen, nasses Laub steckt es souverän weg, genauso wie rutschige Wurzeln.
Wer nun aber glaubt man käme überall durch und durch den niedrigen Luftdruck könne man sich die Federgabel sparen, der liegt falsch.
Was stimmt ist, dass das ein Fatbike easy dort hingehen kann wo noch kaum normales Rad hinging. Mit einem Fatbike kann man in Situationen noch relativ entspannt fahren wo man mit einem normalen Rad kämpft und schiebt. Aber auch Fatbikes haben ihre Grenzen.
Das gleiche gilt für Federung. Geht man es eher gemütlich an kommt man ohne Federung aus. Sucht man aber den Thrill auf schnellen Trails wird’s ohne (Voll-) Federung kaum gehen.
Eine Prognose
Ich denke der Fatbike-Markt wird sich (vor allem in Deutschland) langfristig in 3 Hauptrichtungen entwickeln:
- Ambitionierte Radsportler die ein Trainingsgerät für den Winter suchen, a.k.a die Carbonfraktion
- Abenteuerradler die ein Rad suchen mit dem sie neue Orte erkunden können
- Mountainbiker/Freerider die (voll-) gefederte die fette Reifen am unteren Ende fahren, so im Bereich 26×4.0
Fazit
Fatbike puts back the „F“ into Fun! Fatbike fahren ist definitv ein neues Fahrerlebnis und ein großer Spaß. Der Spaß fängt bereits mit der kindlichen Freude an den übergroßen Ballonreifen an. Und dass das nicht nur mir so geht bestätigen die anderen Leute da draußen durch Kommentare, Gesten und Mimik.
Darum, wer mit ungläubigen Blicken und Kommentaren wie:
Guck mal Papa, hat der aber dicke Reifen!
Mensch Herbert, guck mal, hasch‘ des gesehen?
oder
Ahhhh Hilfe, da kommt was Großes…
nicht umgehen kann, der sollte vielleicht noch etwas warten. Ebenso, wer sich Fahrkomfort ohne Federgabel wünscht wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Aber alle anderen werden Spaß damit haben, denn letztlich geht es ja um den Spaß, oder?
Weiterführende Links
Kona Wo 2015 auf KONAWORLD
Kona Wo 2015 auf Mtbr.com
Kona Wo 2015 auf Fatbike.com