Zurück von der ersten längeren Tour seit zwei Jahren – Zug via München, Salzburg, Wien nach Budapest, von dort über die Tatras mit dem Rad nach Auschwitz, weiter nach Ostrava (Tschechien) und von dort mit dem Zug via Prag, Dresden, Leipzig, FFM, Mannheim und Karlsruhe wieder heim.
Mittlerweile ist „lang“ bei mir schon zwei Wochen, andererseits ist die Metropolregion Stuttgart für Mountainbiker aber auch so ein dankbares Terrain, dass sich der Wunsch nach langen Touren ganz gut kompensieren lässt.
Eine interessante Erfahrung war für mich diesmal, dass ich mich eher stark zurücknehmen im Hinblick auf die Länge der Tagesetappen. 100+ km am Tag sein hat sich unter normalen Bedingungen als praktikable Größe herausgestellt – 100 ist eine konkrete Zahl und sorgt dafür, dass man Strecke macht und gleichzeitig auch noch flexibel genug ist in der Wahl des Tagesetappenziels ohne überall durchrasen zu müssen, vorausgesetzt die Tage sind lang genug und man steht früh genug auf – was beim Zelten normalerweise gegeben ist.
Macht man dann noch einen ungeplanten Umweg, verfährt sich oder es gibt den Campingplatz nicht (mehr) den man sich ausgeguckt hat, dann werdens auch schnell mal deutlich mehr.
Da ich vergangen Winter aber mehr oder weniger voll durchgefahren bin, und das mit vergleichsweise viel Höhenmetern, war ich körperlich ziemlich fit, außerdem fuhr ich ein 29er und die rollen ja bekanntlich besser (das tun sie wirklich!).
Elektronische Navigation
Eine weitere „interessante“ Erfahrung war die Navigation mit Smartphone mit den kostenlosen Basisversionen von MAPS.ME, KOMOOT und natürlich Google Maps, wobei Google Maps sich für mobile Nutzung als die unpraktischste Plattform herausgestellt hat.
Europa besteht im Gegensatz zu vielen anderen Ländern und Regionen mit deutlich geringerer Bevölkerungsdichte pro qkm aus einem dichten Netz an Straßen und Wegen – und da macht Osteuropa keine Ausnahme, darum ist es aufwändiger Routen zu planen und vor allem unterwegs zu navigiere und oftmals sind Landmarken auch nur bedingt eine Hilfe.
Natürlich kann man seine Route detailliert daheim am Computer planen um sie dann präzise abzufahren. Aber das wäre ja auch irgendwo langweilig. Und manchmal ergeben sich interessante Optionen auch erst unterwegs (oder anders herum, stellen sich geplante Routen als öde oder nicht machbar heraus). Die Flexibilität spontaner Änderungen wollten wir uns nicht versagen, macht es ja auch spannender.
Fazit Navigation: Es gibt Unterschiede zwischen der Tagestour in Deutschland und der Mehrtagestour im Ausland 😉 Navigation auschließlich mit elektronischen Karten: nervig.
Es fehlen wichtige Funktionen, wie etwa berechnete Routen speichern zu können, die es in der/den Bezahlversionen gibt, was für uns bedeutete Routen öfter zu verlieren und neu zu berechnen zu müssen.
KOMOOT gibt zwar ein Höhenprofil und wieviel die Route ansteigt und fällt – nicht ganz unwichtig im Gebirge – dafür schickt die App einen dann auf „Genussstrecken“, d.h. mit deutlich mehr Höhenmeter als der motorisierte Verkehr auf Asphalt überwinden muss.
Das ist zwar ganz schön wenn man die sportliche Herausforderung sucht, nicht aber wenn man eine gemäßigte Urlaubstour fährt, bei der man sich nicht total Auspowern will. Kurzum: es sollte Option und nicht Standard sein.
Wünschenswert wäre, wenn man, den „Schwierigkeitscharakter“ der Route besser spezifizieren könnte, beispielsweise Entfernung, Höhenmeter und Untergrund als die als Mindestparameter zur Verfügung stehen – bei KOMOOT geht es ansatzweise, bei MAPS.ME nicht.
Weiterhin war Netzzugang ein Problem. WLAN gibts zwar an jeder zweiten Ecke, wenn es denn nur mal zuverlässig funktionierte … Ein weiteres Problem: Navigationsapps sind (natürlich) EXTREM stromhungrig.
Und last but not least: die ständigen Updates. Updated man nicht, ist die App buggy, updated man, muss man bei MAPS.ME manchmal auch die heruntergeladenen Karten updaten – kein leichtes unterfangen mit durchschnittlich 50-100 MB pro Karte und unzuverlässigem Netzzugriff.
Datenzugriff im Ausland will gut überlegt sein, das kann schnell teuer werden und Flat- oder zubuchbare Tarife sind oft so mager, dass das Datenbudget viel zu schnell aufgebraucht ist und wir ständig nachordern mussten.
Dennoch war es das Experiment wert, denn mit Papierkarten für alle Eventualitäten (kleine Straßen und Wanderwege, Fahrradwege gibt es zwar, sind aber vor allem auf dem Land eher nicht existent) hätten wir sicher ein Kilo oder zwei an Kartenmaterial mitschleppen müssen, von den Kosten für eine Einmalnutzung ganz zu schweigen.
So waren wir aber zumindest so flexibel, dass wir uns täglich eine Route konfigurieren konnten, allerdings gibt es hier insgesamt noch Verbesserungspotential.
In der Vergangenheit hab ich beispielsweise öfter schon mit Cue-Sheets (Richtungsangaben, komprimiert auf Papier) experimentiert. Das System hat (wie alles) Vor- und Nachteile, eine Kombination aus beidem (primär Cue Sheets und Smartphone Navigationsapp(s) als Backup) dürfte wahrscheinlich die beste Lösung sein.
Die Räder
Vor der Tour gut gewartet haben sie auch 1,5 Tage Dauerregen im Freien gut überstanden, technische Probleme keine, Platten = Null.
Mein 1×9 Setup hat sich ein weiteres Mal hervorragend bewährt. Es gab keine Situation wo ich den Granny (siehe hier) benutzt habe oder benutzen wollte, darum werde ich ihn wieder entfernen.
Die Höchstgeschwindigkeit liegt mit 2,4″ Reifen bei ca. 35 km/h bei ~ 90 UpM, für mich völlig ausreichend. einige Male hätte ich die Gelegenheit gehabt noch mehr Gas zu geben, aber das rechtfertigt meiner Meinung nach nicht das System komplizierter und schwerer zu machen.
Tourstrategie
Jeder fährt sein eigenes Tempo, der Schnellere wartet oder beschäftigt sich anderweitig.
Bahnfahren
Die Hinfahrt.
Der Deutschen Bahn eilt ihr Ruf leider voraus. Eine länderübergreifende Bahnreise mit Fahrradmitnahme im Sommer 2016 übers Internet zu buchen – unmöglich. Das ging letztlich nur mit Hilfe einen „alten Fuchses“ im lokalen DB Reisezentrum, der alle Register zog um die Hinfahrt nach Budapest zu ermöglichen.
Danke dafür, allerdings weiß ich nicht ob ich ihn bewundern oder bedauern soll.
Rückfahrt
Aus Polen einen polnischen Abgang zu machen (einfach verschwinden) ist aber auch gar nicht so einfach. Letztlich sind wir über die Grenze nach Ostrava in Tschechien gefahren und auch dort mussten wir noch einen Tag warten um zu bezahlbaren Preisen Bahn fahren zu können.
Aber: auch wenn der Ostblock teils noch ein wenig „shabby“ ist (Das Bahnhofsgebäude in Ostrava war neu, der Rest der Bahnanlage aber noch Marke „Eiserner Vorhang“), so kann sich die Deutsche Bahn von der tschechischen durchaus eine Scheibe abschneiden: freundlicher, zuvorkommender Service und sogar ein Wasser zur Erfrischung umsonst. Nicht dass das Wasser es rausreisst, aber es ist die Geste die zählt.
Ab Prag gings nach kurzem Aufenthalt mit Umstieg weiter einmal durch die Republik: über Dresden – Leipzig – Frankfurt – Mannheim nach Stuttgart, wobei das Rad interessanterweise durchfuhr, wir aber nicht …
Die Dame am Schalter in Ostrava meinte sie könne uns nicht bis Stuttgart durchbuchen, nur bis Mannheim – das versteh auch einer. Ob es ein Mißverständnis war, ein technisches Problem oder was auch immer – abgesehen davon, dass um es um 6 Uhr morgens keine günstigen Baden-Württemberg Tickets gibt, war es kein Problem einen Anschluss nach Stuttgart zu bekommen.
Der Osten
Schenkt sich wenig, die menschengemachte Infrastruktur ist die Gleiche wie bei uns – Lidl, Spar, Obi, IKEA, McDonalds mit all ihren Vor- und Nachteilen.
Es hat aber auch was Gutes – man kennts von daheim, und mal zu gucken wie die dennoch Vorhanden kleinen Unterschiede sind hat auch was. Beispielsweise gibt es in allen vier Ländern bei Lidl und wahrscheinlich auch anderen (wir haben nicht alle gecheckt) gekühlte Getränke, inklusive Bier und Radler!
Man stelle sich das mal in Deutschland vor: Radtour bei 35° C im Schatten und man muss zur teuren Tankstelle oder gar in einen Biergarten, da die Discounter nur die zimmerwarme Plörre in Plastikflaschen haben. Umso schöner war die Überraschung beim ersten Besuch eines Lidl Markts in Budapest Getränke im Kühlregal zu finden.
Schön, denkt man sich, aber das ist wahrscheinlich nur bei dem hier so, oder weil das Budapest ist. Wie sich dann aber relativ schnell herausstellte wars die Regel. Nett.
Tja: andere Leute sind halt auch nicht doof und machen Dinge oft besser als wir, auch wenns manchmal nur kleine Dinge sind wie kaltes Bier beim Discounter. Aber es sind ja immer die kleinen Dinge im Leben dies ausmachen.
Ostrava war eine Überraschung – lohnt sich durchaus mal für einen Städtetrip (wer auf sowas steht).
Sonstiges
Ein Kindle (E-Book Reader) war dabei – war gut – seit Langem habe ich mal wieder mehrere Bücher komplett von A-Z gelesen (irgendwie krieg‘ ich das daheim gerade nicht mehr hin ständig abgelenkt usw …) und natürlich das Highlight: unterwegs sein!
Hier noch ein paar Bilder
Alle Bilder aufgenommen mit iPhone 5s (wen’s interessiert 😉 )