Ich glaube jeder von uns der mit Spaß trainiert kann ein Lied davon singen: vom Wiedereinstieg nach einer Fitnessstudio Trainingspause. Man überschätzt sich, erlebt sich schwach und hat, vor allem wenn’s das erste Mal ist den Muskelkater seines Lebens. Während man es als junger Mensch in den frühen 20ern noch leicht(er) weg steckt kann ich als „Boomer“ euch sagen: es wird ned besser, nein, nein … im Gegenteil. Aber, wir wollen ja nicht rumheulen, darum das Wichtigste zuerst:
Wer nach zwei oder mehr Wochen wieder in seine alte Trainingsroutine im Fitnessstudio einsteigen möchte sollte dringend sein Ego zuhause lassen. Vor allem in den ersten Tagen gilt: maximal ein Viertel des vorherigen Trainingsumfangs, sprich Gewicht und Satzanzahl halbieren, und LANGSAM wieder hocharbeiten.
Zurück ins Fitnessstudio nach einer Trainingspause
Es ist eines der frustrierendsten Dinge, die man als Kraftsportler erleben kann: die Rückkehr zum Gewichte heben nach einer längeren Fitnessstudio Trainingspause. Möglicherweise hat man sich verletzt, hatte Gesundheitsprobleme, Arbeits- oder Familienstress, oder war übertrainiert und konnte sich nicht motivieren ins Training zu gehen und hat darum für eine Weile zu unterbrochen. Was auch immer es war, wieder zurück in die alte Lifting-Rourine zu kehren ist oft nicht so einfach, sowohl mental als auch körperlich.
Ich schreibe, den Artikel weil ich kürzlich meine erste Längere Trainingspause nach knapp 18 Monaten konsistem Training hatte und ENTSETZT war, wie krass es sich auswirkt, und was ich gelernt habe, was gute Praxis ist. Kürzere Pausen bis zu zwei Wochen habe ich davor auch schon gemacht, hauptsächlich zur Erholung, aber es ist ein Himmelweiter unterschied ob man zwei oder 4 Wochen Pause macht, oder ob man 1 Woche Pause macht und in der zweiten ganz leicht trainiert. Außerdem darf man auch nicht vergessen, überschätzt man sich bzw. unterschätzt man die Gesamtsituation kann man sich nicht nur verletzten, nein, es zögert den Wiedereinstieg auch noch weiter hinaus. Ist es „nur“ ein starker Muskelkater kann man mit einer Woche rechnen bis man sich davon vollständig erholt hat.
Hier also nun ein paar Tipps um euch den Wiedereinstieg zu erleichtern.
1. Akzeptiert, dass ihr euch schwächer fühlen werdet
Zumindest eine Zeit lang. Leider bedeutet eine Fitnessstudio Trainingspause zu nehmen, dass ihr einige eurer Fähigkeiten verlieren werdet. Das bedeutet aber nicht, dass ihr nie wieder auf das gleiche Niveau zurückkehren oder es sogar übertreffen könnt. Im Gegenteil. „Lineare Progression“, also dass ihr immer was drauf packt und stärker werdet geht nicht ewig, sonst wären wir ja alle so stark wie Top-Gewichtheber. Nein, viel mehr funktioniert es zyklisch: ihr steigert das Gewicht, bis es nicht mehr geht, dann reduziert ihr es sagen wir um ein Viertel, und fangt dann wieder an es zu steigern. Das ist auch eine gute Strategie um Übertraining zu vermeiden. Seid ihr schon übertrainiert ist jetzt die Gelegenheit ein paar Tage (oder so lange es eben dauert) Pause zu machen.
Weniger ist mehr!
Jedenfalls, worauf ich hinaus will ist sagen, dass ihr eure Gewichte und/oder Satzanzahl verringern müsst.
Eine Woche Abwesenheit vom Fitnessstudio werden ihr gerade so noch nicht merken, weil unser Körper ziemlich gut in der Lage ist, die Trainingsadaption etwa 2 Wochen lang beizubehalten. Bei zwei Wochen bekommt ihr allerdings schon einen ordentlichen Muskelkater wenn ihr GENAU da weiter macht wo ihr aufgehört habt. Und bei allem was länger ist: vergesst es, lasst es locker angehen!
Wenn ihr 2 – 4 Wochen dem Fitnessstudio fern bleibt, werden ihr, abhängig von eurem Körperfettanteil wahrscheinlich auch einen Verlust an fettfreier Muskulatur (pubmed.gov) feststellen. Wenn ihr also länger als 3-4 Wochen nicht im Fitnessstudio wart, müsst ihr akzeptieren, dass ihr für eine Weile schwächer sein werdet.
Die gute Nachricht ist jedoch, dass sich der Körper merkt was er mal konnte, und es nicht lange dauert bis ihr wieder da seid wo ihr mal wart ODER diesen Zustand übertrefft! Wie schnell, fragt ihr? Mehr dazu im nächsten Abschnitt.
2. Am Anfang relativ locker trainieren
Jedes Mal, wenn ihr wieder mit dem Krafttraining anfangt, oder auch wenn ihr ein neues Trainingsprogramm beginnt, oder eine neue Übung lernt, solltet ihr mit locker beginnen. Was meine ich damit und warum sage ich es? Was ich meine ist, ihr solltet euch 2-3 Wochen Zeit geben, damit der Körper sich an daran gewöhnen kann. Ich weiß, sich künstlich zurück halten ist schwer, vor allem wenn man „nur“ eine neue Übung oder die Variante einer Übung ausprobiert.
Ich sag euch mal ein Beispiel: eine meiner Standard-Rückenübungen ist der sogenannte „Pendlay Row“.
Als ich damit anfing habe ich immer pronierend gegriffen, also mit den Handflächen nach unten und Daumen nach innen. Irgendwann hab ich dann aber das Video von Mark Rippetoe (Buch: Starting Strength, Amazon) gesehen, wo er diese Übung mit supinierendem Griff (Wikipedia) macht (also Handflächen nach oben, Daumen nach außen), mit dem Argument, dass er so auch ein Bizeps-Workout bekommen würde. Da ich Bizeps auch nicht extra trainiere, dachte ich ich probier’s mal aus – GANZ ANDERE ÜBUNG – Aber gut! – kann ich jedem nur empfehlen!
Warum das so ist
Aber zurück zum Thema: die Gründe hierfür sind physiologischer Natur. Der erste Grund ist, dass eure Sehnen, Gelenke und Bänder länger brauchen (pubmed.gov) als eure Muskeln, um sich vom Training zu erholen. Wenn ihr zu früh zu hart trainiert, habt ihr ein viel größeres Verletzungsrisiko – ich weiß wovon ich rede. Ich hab mir zwar nichts gerissen, aber Probleme mit einer Kalkschulter (mehr dazu hier).
Der zweite Grund für ein lockereres Training ist, dass es übermäßigen Muskelkater vermeidet. Im Gegensatz zu dem was der Volksmund glaubt, ist starker Muskelkater kein guter Indikator dafür, dass das Training gut beziehungsweise erfolgreich war. Es war eine Überlastung von der sich zu Erholen der Körper übermäßig lange braucht, und wo keine oder nur eine geringe Adaption stattfindet. Anders gesagt, der Muskel wird durch starke Überlastung nicht größer und stärker. Jedenfalls nicht so wie ihr das wollt.
Wenn euch das passiert ist, und es passiert öfter als gewünscht, dann begeht nicht den zweiten Fehler, und versucht den Muskelkater weg zu trainieren, oder geht schon wieder trainieren wenn ihr noch nicht voll erholt seid. Es ist kontraproduktiv. Lernt die Lektion, nehmt es mit Demut und macht es das nächste Mal besser.
Langsam wieder ins Training reinkommen
Der Schlüssel zum möglichst schmerzfreien und erfolgreichen (Wieder-) Einstieg ins Training liegt im Wesentlichen darin Trainingsvolumen und -intensität zu reduzieren.
Meine Empfehlung ist, die Anzahl der Sätze zu halbieren und Gewichte zu verwenden, die 10 – 20 % unter denen liegen, mit denen ihr vorher trainiert habt. Noch weniger wenn die Pause länger als zwei Wochen war. Tut dies in der ersten Woche, und steigert dann im Laufe der nächsten Wochen das Gewicht und die Anzahl der Sätze. Innerhalb von 4-6 Wochen werdet ihr höchstwahrscheinlich dann wieder bei euren früheren Leistungen angelangt sein, oder diese sogar übertreffen!
Wenn ihr Anfänger seid, oder seit Jahren nicht mehr trainieren wart oder nicht so erfahren mit freien Gewichten seid, dann beginnt ihr am besten mit den niedrigstmöglichen Gewichten. Auf diese Weise könnt Ihr Selbstvertrauen aufbauen und „gute Form“ also die korrekte Ausführung der entsprechenden Übung üben. Hier sind die empfohlenen Startgewichte für die wesentlichen Grundübungen, für Anfänger:
- Kniebeuge, Bankdrücken, Überkopfdrücken: 20kg (die leere olympische Langhantel)
- Kreuzheben („Deadlift“): 40kg/95lb (die leere Stange mit einer Platte von 10kg/25lb auf jeder Seite)
- Langhantelrudern („Pendlay Row“, s.o.): 30kg/65lb (die leere Stange mit 5kg/10lb auf jeder Seite)
Beim Kreuzheben braucht ihr die großen Scheiben damit ihr die richtige Startposition habt. Gleiches gilt eigentlich für das Langhantelrudern. Nehmt große 5 Kg Scheiben wenn euer Fitnessstudio welche hat, ansonsten ebenfalls 10 Kg Scheiben. Solltet ihr (vor allem Frauen) am Anfang zu schwach sein und es gibt keine großen 5 Kg Scheiben dann nehmt einfach die kleinen und legt Scheiben unter die Hantel, damit ihr auf Höhe kommt, oder nutzt die „Pins“ im Powerrack. Sobald ihr aber große Scheiben schafft macht ihr die Übung außerhalb des Racks, vom Boden aus.
Geduld
Übt euch in Geduld. Das ist wahrscheinlich der wichtigste Tipp, denn Selbstkontrolle und der Versuchung widerstehen mehr drauf zu packen ist schwer und macht den Wiedereinstieg nach der Fitnessstudio Trainingspause nur um so schwerer! Vor allem wenn ihr jünger seid und Leute kennt, dann wollt ihr „ran ans Eisen“ und nicht mit so Kindergewichten trainieren. Aber: wider steht der Versuchung und ihr werdet belohnt. Vor allem seid ihr schneller wieder dort wo ihr sein wollt oder sogar weiter. Ihr müsst strategisch denken, wie ein Schachgroßmeister – immer ein paar Züge voraus statt impulsiv und kurzsichtig! Denn dann verletzt ihr euch nicht und braucht unterm Strich auch weniger Zeit zur Regeneration.
Dies gilt besonders je älter ihr werdet. Mit Mitte 30 müsst ihr anders trainieren als mit Mitte 20, und mit Mitte 40 anders als mit Mitte 30. Das ist normal.
Heißt das, dass ihr nicht mehr so belastbar seid? Das kann es heißen. Aber eigentlich heißt es ihr müsst intelligenter trainieren statt mit roher Gewalt. Hart natürlich auch, aber alles zu seiner Zeit. In diesem Sinne: einen guten (Wieder-) Einstieg ins Training!