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Wir bauen uns einen 29+ Mid-Fat Laufradsatz für’s Fatbike

Einen Fatbike 29+ Laufradsatz bauen? Warum? Braucht man das? Macht das Sinn? Wenn ich so mit dem Fatty unterwegs bin dann ist die Frage die ich eigentlich am meisten höre:

Und was kann man damit machen?

die ziemlich in Konkurrenz steht mit dieser hier:

Gell, des tritt sich schon schwer, oder?

Ja, was soll man da sagen?? Vielleicht:

Radfahren kann man damit !?

und:

Es kommt drauf an …

Natürlich fährt sich ein Fatbike nicht wie ein Rennrad, schon klar. Dafür fährt sich ein Rennrad tendenziell auch eher schlecht im Schnee, auf Sand und in sonstigem unbefestigten Gelände.

Abgesehen davon ist ein Fatbike eine eigene Fahrradgattung und wenn es um Spaß geht, braucht es keine Rechtfertigung.

Dennoch, irgendwo sind die Fragen auch berechtigt. Ein Fatbike will angetrieben werden, vor allem wenn’s bergauf geht. Aber letztlich ist alles Training und wenn der Spaß im Vordergrund steht sollte man der Uhr nicht so viel Bedeutung beimessen.

Was mich aber am meisten stört ist das: auch wenn ich gerne mehr Offroad fahren wollte, fahre ich doch zwangsläufig geschätzte 50% auf Asphalt und weitere 40% auf Waldautobahnen oder guten Trails, und dazu sind 4 -5″ breite Reifen Verschwendung – anderseits: es spart die Klingel…

Glücklicherweise hat ein Fatbike aber eine ganz herausragende Eigenschaft, die sich einem auf den ersten Blick aber oft nicht sofort erschließt: 26+ Laufräder mit 4-5″ Reifen haben ungefähr die gleiche Größe wie 29er Laufräder. Somit lassen sich auch 29er Laufräder in einem Fatbike Rahmen fahren. Oft ist im Rahmen sogar soviel Platz dass auch 29+ reinpasst.

Das wiederum ermöglicht es ein Fatbike mit charakteristisch unterschiedlichen Laufradsätzen zu fahren: einen 26er mit 4″-5″ Reifen für Winter, Sand usw. und einen schnellen 29+ mit 3″ Reifen für Sommer bzw. für alles was nicht Fatbike-spezifische Anwendung ist. Wobei ein Fatbike 29+ Laufradsatz immer noch „fat“ ist und die vielen Vorteile eines größeren Footprints in Kombination mit verringertem Luftdruck bietet: Mehr Traktion, mehr Kontrolle, bessere Dämpfung.

Genau das, einen 29×3″ Laufradsatz zu bauen, war eins meiner Wunschprojekte für dieses Jahr.

Vorteile eines Fatbike 29+ Laufradsatzes

29+ Laufräder sind:

  • Leichter
  • Schneller
  • Agiler
  • Rollen besser über Unebenheiten
  • Fahren sich besser auf Asphalt
  • Sind dezenter, die Leute gucken nicht so
  • Und sehen ziemlich sexy aus 😉

Aber – und jetzt kommt das große aber – Fatbike-Teile sind aufgrund der (noch) verhältnismäßig kleinen Stückzahlen und des größeren Materialeinsatzes immer noch recht teuer.

Und darum, egal wie ich es drehte und wendete, kam ich irgendwie immer in die Größenordnung um 700 Euro für einen Laufradsatz -dafür bekommt man woanders schon ein ganzes Fahrrad! Soviel ist mir der Spaß dann doch nicht wert.

Dann meinte es das Schicksal aber doch noch gut mit mir – um eine kleine Einkaufsodyssee kam ich aber trotzdem nicht herum: auf Ebay 120 TPI Maxxis Chronicle (hier die normalen) für 60 Euro das Stück (inklusive Versand) gefunden – aus Australien(!), und ein Paar 50mm breite P.O.G. DB-X50 Felgen die verdächtig nach einer Kopie von Velocity Duallys aussehen, für sagenhafte 38,95 Euro das Stück – ein Superschnäppchen wenn man bedenkt, dass die wenigen 29+ Felgen von namhaften Herstellern sich alle in einem Bereich von 120 Euro und mehr befinden…

Ein weiteres Problem war es passende Naben aufzutreiben. Klar, Hope Fatsno gibt’s überall, aber auf Ebay hätte allein schon die Hinterradnabe 220 Euro gekostet… gute Naben was man so hört, und wenn ich mal reich bin kauf ich die sofort, aber hier und jetzt zu teuer für ein Experiment.

Nachdem einige Versuche scheiterten einen Satz bezahlbare Naben in Deutschland bzw. innerhalb der EU zu beziehen, hab‘ ich schließlich einen günstigen Satz Quanta Naben für unter 100 Euro auf AliExpress gefunden und direkt aus China bestellt.

Die Kosten über den Daumen, für alles, inklusive Schläuche, Bremsscheiben und Kassette: ca. 350 Euro.

Der Laufradbau

Juhu! Eine Premiere, ich baue zum ersten Mal einen Satz Fatbike-Laufräder!

Die Vorderradnabe ist mit 135 mm so breit wie eine Standard MTB-Hinterradnabe, also noch im grünen Bereich. Die Hinterradnabe ist mit 190 mm aber ein ganz schön massives Teil, fast schon wie eine kleine Kurzhantel. Ich musste also erst mal den Zentrierständer um ein paar weitere Löcher erweitern um den Abstand zwischen den Holmen auf das richtige Maß bringen zu können.

Beim Bau der Fatbike-Laufräder geht man dann genauso vor wie bei „normalen“ Laufrädern (hier ein paar Tipps), allerdings kann die Ermittlung der richtigen Speichenlängen aufwändiger sein. Während die Längen für Standard Naben-Felgen Kombinationen in vielen Speichenlängenrechnern schon hinterlegt sind fehlen diese in der Regel für Fatbike-Laufräder.

Man muss also seine Naben und Felgen vermessen und daruas die Speichenlängen berechnen. Diese hängt hier von mindestens einem weiteren Faktor ab, nämlich der breite der Hinterachse, oder besser gesagt, ob das Laufrad symmetrisch sein wird oder „Dish“ hat, wie ein konventionelles Kettenschaltungshinterad.

190 mm Naben sind in der Regel symmetrisch aufzubauen, d.h. durch den gleichen Winkel und die gleichmäßige hohe Speichenspannung auf beiden Seiten ist das Laufrad (theoretisch) stabiler im Vergleich zu Laufrädern mit 130/135mm breiten Naben. Die Betonung liegt dabei auf „theoretisch“, denn die Qualität des Laufradbaus ist entscheidend.

Ich konnte jedenfalls nicht auf bereits vorhandene Daten zurückgreifen – daher musste ich sie selbst berechnen.

Um das zu tun musst ich erstmal den ERD, den „Effektive Rim Diameter“, ausmessen und berechnen. Den ermittelt man am besten mit dieser Methode hier: ERD – Radreise-Wiki, was wir wollen ist der Nippelschlitz-ERD.

Nachdem ich dann noch die Naben entsprechend vermessen hatte, d.h. den Lochkreisdurchmesser, Flanschabstand, usw. kannte, konnte ich die Speichenlängen berechnen. Am besten geht das mit Edd.

Edd ist ein ziemlich cooler Speichenlängenrechner, den ich durch Zufall gefunden habe. Am Hinterrad war das Ergebnis ziemlich akkurat, am Vorderrad hätten die Speichen einen Tick länger sein dürfen, waren aber noch im grünen Bereich. Im Zweifelsfall würde ich die Speichenlänge immer auf- statt abrunden. Da Speichen meist in 2 mm Abständen erhältlich sind bedeutet das bei Ermittlung der Länge ohne Rechenfehler, dass die Speiche im schlimmsten Fall in den Nippelschlitz reinragt, was allerdings weder technishc noch optishc ein Problem darstellt.

Wie gesagt, Speichenlängen gibt es in der Regel in 2 mm Abständen. Ich kaufe meine Speichen immer bei Rose wenn ich verschiedene Speichenlängen brauche, da sie dort einzeln und 20er Bündeln erhältlich sind, die ich meistens kaufe – es ist ja schließlich keine schlechte Idee ein paar Speichen als Ersatz auf Lager zu haben. Meine Speichen der Wahl sind DT Competition.

Felgen: P.O.G. – die Marke kannte ich bisher nicht und bin, wie gesagt, durch Zufall darauf gestoßen. Für den Preis von um die 30 Euro sind sie qualitativ absolut OK, solide, zwar nur gesteckt und ohne Ösen oder sonstigen Schnick-Schnack, aber völlig ausreichend. Es ist allerdings kein Fehler die Speichenlöcher zu entgraten.

Als Felgenband habe ich vorsorglich wieder das Scotch Gewebeband genommen, wie hier, vielleicht probiere ich ja doch mal ein Tubeless-Setup, unabhängig davon eignet es sich hervorragend als leichtes, günstiges Felgenband.

Als Schläuche verwende ich die normalen 27,5″/29″ Schwalbe 13J, die sollen sich auch für größere Volumen eignen und bis gibt es keine Probleme.

Vergleich Fahrverhalten

Tja, und wie fährt sich jetzt mit einem Fatbike 29+ Laufradsatz im Vergleich zu 26″ FAT? Hat sich der Aufwand gelohnt?

Hier gibt es ein ganz klares JA. Allein schon wieder mal einen Laufradsatz zu bauen war toll, noch dazu zum ersten Mal Full-Custom, also mit 100% selbst ermittelten Daten.

Aber auch was das Fahrverhalten angeht hat es sich gelohnt. Auf Asphalt kommt man richtig schnell voran – kein Vergleich zu den fetten Schlappen – und das Rad fährt sich insgesamt spritziger. Beschleunigung ist annähernd wie bei einem „normalen“ Mountainbike und die gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit dürfte bei gleichem Energieeinsatz locker 3-4 km/h höher sein. Zusätzlich bieten sie aber trotzdem ein Plus an Traktion und Dämpfung und damit Sicherheit und Kontrolle im Gelände.

Der eigentliche Hammer neben der höheren Geschwindigkeit ist aber das Moment.

Die Beschleunigung ist deutlich besser und die Geschwindigkeit kann besser gehalten werden. Wo beispielsweise bei 4,5″ Reifen runtergeschalten werden musste gibt man hier einfach etwas mehr Druck auf die Pedale!

Das kann man natürlich mit dicken Reifen auch machen, aber es erfordert spürbar mehr Kraftaufwand, was wiederum bedeutet, je länger die Tour, desto früher sind die Kraftreserven erschöpft.

Ein Fatbike 29+ Laufradsatz als Alternative zu den „normalen“ 26+ Rädern? Von mir ganz klar zwei Daumen hoch!

Nachtrag

Bei der zweiten Testfahrt, die auch einige Abschnitte guten Asphalts beinhaltete, stellte ich fest, dass beide Laufrädern irgendwie unrund liefen. Man konnte auch eine „Delle“ im Reifen sehen, wenn man das entsprechende Rad drehte. Beide Reifen waren aber korrekt aufgezogen und saßen sauber auf der Felge.

Ich stellte dann weiterhin fest, dass sich beide Stellen auf Höhe des Ventils befanden – es musste also an den Schläuchen liegen bzw. der Reifen–Schlauch Kombination.

Nach kurzer Recherche stieß ich drauf, dass fehlendes Talkum für Friktion gesorgt und den Schlauch daran gehindert haben könte sich gleichmäßig im Reifen auszubreiten. Da die Schwalbe 13J Schläuche offiziell nicht für 3″ freigegeben sind, hielt ich das durchaus für möglich. Also Reifen runter den Mantel innen mit Babypuder gepudert und

Tata !!! Problem gelöst!

Nachtrag 2: Naben

Weniger als 100 Euro für einen Satz Fatbike Naben? Kann das gut gehen?

In der Tat sind sie nicht perfekt, es gibt manchmal Probleme mit dieser speziellen Hinterradnabe, hier gibt’s einen Thread zu dem Thema.

Auch ich habe festgestellt, dass die Kugellager in meinem Hinterrad rau laufen. Also hab ich sie getauscht, was es leider nur unwesentlich verbesserte.

Die Gründe hierfür sind wohl in mangelnder Fertigungspräzision zu suchen (wer Zugang zu einer Drehbank hat und damit umgehen, kann kann Abhilfe schaffen), und der Art und Weise der Konstruktion, die bei Produkten anderer Nabenhersteller aus Fernost ähnlich sein soll.

Unterm Strich funktionieren sie allerdings bis jetzt zuverlässig und haben sich noch nicht negativ bemerkbar gemacht. Wie sich das auf die Lebensdauer der Lager auswirkt? Keine Ahnung, muss man sehen. Ich würde mit dem Rad so aber jetzt keine lange Tour im Ausland machen wollen, auch wenn die Lager tauschen kein Hexenwerk ist.

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